5. Oktober 2015 | 12:48 | Kategorie:
5

Tourismus eine Branche ohne Rücksicht auf die physische und psychische Gesundheit?

Der Tourismus zählt zu einem der am meisten wachsenden Märkte. Die Welttourismusorganisation (UNWTO) geht davon aus, dass der Markt bis 2030 weltweit um 4,4 % und in Europa, dem stärksten Tourismusmarkt, um 5,8 % wächst. Wie jeder Wirtschaftsbereich verfügt auch der Tourismus über einige Besonderheiten, die ihn zum Teil massiv von anderen Branchen unterscheiden.

Die unregelmäßigen Arbeitszeiten, gemeinsam mit der oft schlechten Bezahlung und der hohen körperlichen Anstrengung tragen leider nicht zum Ansehen der Branche bei. In weiterer Folge wollen immer weniger Menschen im Tourismus arbeiten. Die Drop-out-Quote in der Lehrlingsausbildung der Tourismus- und Freizeitwirtschaft liegt bei 28,6 % und belegt diese Faktoren zusätzlich. Ein weiteres Indiz für den schwierigen Arbeitgeber Tourismus ist die hohe Mitarbeiter-Fluktuation (Rohrmoser 2011).

Hausgemachter Fachkräftemangel

Auch wenn der Fachkräftemangel in der gesamten Wirtschaft ein wichtiges Thema ist, gilt dies in besonderem Maß für den Tourismus. Hier entsteht der Fachkräftemangel aus der hohen Mitarbeiter-Fluktuation. Viele qualifizierte Fachkräfte verlassen den Tourismus um in anderen Branchen ein ruhigeres Arbeitsleben zu genießen. Zudem sind die Fluktuation und auch der Fachkräftemangel durch die Branche bedingt. Gerade im Tourismus gibt es eine große Dichte an Zwei-Saisonen-Betrieben, in denen der Personalstand außerhalb der Saisonen aus wirtschaftlichen Gründen abgebaut werden muss.

Obwohl sich der Tourismus um Freizeitgestaltung und Erholung dreht, merkt man davon im Arbeitsalltag kaum etwas. Viele Geschäftsführer bemühen sich nur wenig um das Wohlbefinden der eigenen Mitarbeiter, da diese das Unternehmen ohnehin nach einer Saison verlassen. So lassen sich die Arbeitsbedingungen nur sehr schwer verbessern. Durch den Stress, die ständig neuen Eingewöhnungsprozesse und die hohen Anforderungen der Vorgesetzten sind die Mitarbeiter hohen psychischen Belastungen ausgesetzt. Diesen Stress darf man keinesfalls mit Beanspruchung verwechseln, denn diese wird im vernünftigen Rahmen positiv wahrgenommen.

Psychische Belastungen im Tourismus

Psychische Belastung definiert sich wie folgt: „die Gesamtheit aller erfassbaren Einflüsse, die von außen auf den Menschen zukommen und psychisch auf ihn einwirken“. (Stadler und Spieß E. 2002). Die Ursachen und Quellen der psychischen Belastung läßt sich dabei in verschiedene Gruppen unterteilen:

  • Gesellschaftliche Bedingungen (z.B. Arbeitsplatzabbau)
  • Arbeitsumgebung (z.B. Lärm und mangelnde ergonomische Verhältnisse)
  • Betriebliche Organisation (z.B. strukturelle Veränderungen im Unternehmen)
  • Individuelle Stressoren (z.B. Perfektionismus)

Obwohl die Belastungen unterschiedliche Ursachen haben, wirken sie sich massiv auf die Arbeitsleistung und Motivation aus. Insbesondere der omnipräsente Termindruck belastet Neueinsteiger im Tourismus sehr stark und begünstigt die hohe Fluktuation. Durch den Stress bleibt oft wenig Zeit für den sorgsamen Umgang zwischen Kollegen und Mitarbeitern.

Folgen der psychischen Belastung und der psychosozialen Gefährdung sind, dass sich Mitarbeiter nicht (mehr) Wohlfühlen und deren Lebensqualität sinkt. Ist man diesen Stressfaktoren länger ausgesetzt kann man davon ausgehen, dass die körperliche und psychische Gesundheit leiden. Spätestens zu diesem Zeitpunkt hat der Betroffene die „innere Kündigung“ schon vollzogen. Dies bedeutet, dass er sich von dem Arbeitsplatz nichts mehr erhofft und auf jeden Fall den Arbeitsplatz wechseln möchte.

5. Oktober 2015, 13:10

Man kann die Branche aber auch wirklich so dermaßen schlecht und in den Boden reden, damit es dann tatsächlich Beratung braucht… cui bono?

6. Oktober 2015, 6:17

Ich bin seit gut 30 Jahren dabei und das immer noch mit Begeisterung. Freizeit? Ich finde es toll dann frei zu haben, wenn andere arbeiten – ruhige Bäder, ruhige Skipisten, Besuch von Ämtern…. es läßt sich beliebig fortsetzen. Tourismus und da vor allem die Hotellerie ist nicht einfach nur ein „Job“ nine to five. Tourismus lebt man. Eine strenge Einteilung in Freizeit und Arbeitszeit gibt es hier nicht. Stress? Wenn man sich zwischen den „Arbeitszeiten“ angemessen ausruht ist das kein Problem. Bezahlung? Rechnen wir Verpflegung und in den Ferienregionen auch Logis dazu (in Geldwert) – dann ist diese nicht schlechter als anderswo.

6. Oktober 2015, 8:14

Natürlich ist es toll wenn die Skipisten leer sind oder Ämter besucht werden können, aber was ist mit dem Privatleben sprich Partner, Familie etc. Gehen die Kids in die Schule, ist der freie Tag (6 Tage Woche) unter der Woche nutzlos.

Zwischen den Arbeitszeiten kann man sich nicht wirklich ausruhen, denn im Hinterkopf ist immer die Uhr, ich muß pünktlich zur Abendschicht im Betrieb sein. Es wird felxibilität bis zur Selbstaufgabe erwartet.

Die Arbeitgeber sollten eher darüber nachdenken auch in der Saison nur Verträge für eine 5 Tage Woche abzuschließen, so ist der Mitarbeiter dauerhaft leistungsfähiger. Machen sie mal eine Umfrage unter Saissoniers, was am freien Tag gemacht wird. 90% werden antworten ausschlafen und sonst nichts.

Zur Psyche, im Bereich Alkohol- und Drogenmißbrauch ist die Branche immer noch weit vor anderen, warum wohl?

6. Oktober 2015, 13:00

Sg. Frau Schrettl

Als Berater ist es wohl einfach über Missstände gscheid daherzureden und dann ist es nur fragwürdig, dass Sie als Berater „Werbung“ über ein solches Portal machen.

Schieben Sie die Schuld nicht auf die Unternehmer der Tourismusbranche sondern wohl besser auf die Politik, vielleicht wären Sie und jene damit beraten. Wir versuchen als Jahresbetrieb unseren Mitarbeitern faire Arbeitsbedingungen und eine 5 bis 5,5 Tage Woche zu bieten, halten auch die gesetzlichen 11 Stunden Ruhezeit ein, die 36 Stunden Wochenruhezeit bei freien Tagen,… und alle weiteren Vorschriften, die mittlerweile nicht alle zum Wohle des Menschen gemacht sind, sondern nur dafür da sind um abzustrafen und zu kassieren! Die Stimmung bei den Unternehmern ist schlecht, drauf bekommen haben wir noch eine Steuerreform, Vorschriften, Gesetze,….

Gerne nenne ich mal ein Beispiel – Sie schreiben: . Am Sonntag sollten Mitarbeiter im Tourismus frei haben. Wir versuchen sogar, unseren Mitarbeitern (vor allem jenen mit Familien!) auch in regelmäßigen Abschnitten Wochenruhetagen an Wochenenden einzutragen und dann kommt es so, dass am Sonntag um 24.00 Uhr die Woche vorbei ist und sich die Wochenruhezeit von 36 Stunden nicht mehr ausgeht – dann darf der Unternehmer auch noch 10 Ersatzruhezeiten bezahlen. Toll solche Vorschriften zu erfinden – diese sind aber nicht für die Praxis gemacht und nicht für das Wohl des Menschen! Und Sie schreiben, welche schlechte Branche wir sind? Es wird in jeder Branche schwarze Schafe geben!

Wenn Sie schreiben, die Entlohnung wäre schlecht, … dann darf ich Ihnen mtiteilen, dass es genügend Mitarbeiter gibt, die in der Branche bleiben, weil die Entlohnung und Trinkgeld gut sind und auch genügend, die wieder zurückkehren aus diesem Grund! Man kann halt nicht beides haben – viel Freizeit und viel Lohn .. irgendwann kommt eines der beiden zu kurz – aber es wäre wichtig, dass hier eine Balance herrscht.

Die Schlechtrederei der Tourismusbranche soll sich Österreich mal überlegen – schließlich wäre es auch wichtig in einem Tourismusland motivierte Unternehmer zu haben!

19. Juni 2017, 13:44

Physische und mentale Gesundheit (= Ganzheitliche Gesundheit) ist ein mega Thema über alle Berufsfelder:

„Während psychische Probleme im Jahr 1994 für eine Million Krankenstandstage verantwortlich waren, wurden 2014 schon 3,6 Millionen registriert. Das ist ein Plus von 340 Prozent, während Kaske (Anm: Rudi Kaske, Präsident der Bundesarbeiterkammer Wien) zufolge die gesamten Krankenstandstage im entsprechenden Zeitpunkt um 4,9 Prozent zurückgingen. Der wirtschaftliche Schaden beläuft sich auf 3,3 Milliarden pro Jahr.“ (Zitat aus http://derstandard.at/2000035466044/steigenKrankenstaende-wegen-psychischer-Probleme)

Es erscheint daher ungerecht und nicht unbedingt sachdienlich, sich eine bestimmte Branche herauszupicken und für das Gesamtproblem verantwortlich zu machen.

Die Tourismusbranche ist eine ganz besondere, weil der Mensch als Gast (= mehr als nur Kunde) im Mittelpunkt der Dienstleistungs- Bemühungen steht. Und diese Bemühungen erschöpfen sich – zumindest in der gehobenen Hotellerie – schon lange nicht mehr ausschließlich im Bedienen der Grundbedürfnisse (Essen, Trinken, Schlafen). Den Einheitstyp „Gast“ gibt es ebenso wenig wie den Einheitstyp „Touristik-Mitarbeiter“. Alle sind Menschen mit weitergehenden psychosozialen und mentalen Bedürfnissen. Und alle haben ein Recht darauf, nicht zu kurz zu kommen.

All jene, die der oben skizzierten Hypothese näher treten möchten, sollten eine win – win – win- Lösung ins Auge fassen: Die Tourismuswirtschaft sollte sich inhaltlich viel mehr vertiefen, klare Themenfelder und Ziele formulieren und daraus praxistaugliche Konzepte entwickeln. Und diese funktionieren dann, wenn Tourismus- Mitarbeiter wie Gäste überzeugt und begeistert werden können. Die Generierung von Interesse, Engagement und Erfolg auf allen Seiten ist mehr als nur „Motivation“ und bringt schlussendlich – selbstverständlich unter Einhaltung aller arbeitsrechtlichen Bestimmungen – auch den unternehmerischen Erfolg, der wiederum wertvolle Arbeitsplätze sichert.

Besonders ambitionierte Tourismusbetriebe der Zukunft könnten sich sogar noch einen Schritt weiter vorwagen: Herkömmliche Wellness-Betriebe bieten hervorragende Rahmenbedingungen zur Regeneration des leibseelischen Wohlbefindens ihrer Gäste. Qualifizierte Angebote zur Festigung mentaler Gesundheit (Soziale Interaktionen, Orientierungsangebote, psychotherapeutische Ansätze etc.) fehlen jedoch weitgehend trotz des enormen Bedarfs (Siehe oben!).

Aber – egal, um welchen Gastronomiebetrieb es sich letztlich handelt – es zählen die Menschen mit ihren ganz besonderen Stärken und Schwächen. Und es liegt wohl an der Geschäftsführung, die „Mitarbeitermenschen“ wie die „Gästemenschen“ mit ihren besonderen Bedürfnissen wahrzunehmen und für beide die bestmöglichen Lösungen zu kreieren.

Win -Win – Win: Die Erfolgsformel auf allen Ebenen.

Kommentieren

Ihre Daten werden im Rahmen der Kommentarfunktion gespeichert, darüberhinaus aber für keine weiteren Zwecke verwendet. Weitere Informationen finden Sie in unserer Datenschutzerklärung.

Kommentar zurücksetzen