28. November 2012 | 17:01 | Kategorie:
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Der Mensch und sein Tier

„Wir streicheln und wir essen sie!“ – Gedanken zu einem Paradigmenwechsel in der Gesellschaft und möglichen Verhaltensweisen im Tourismus.
Jedes Jahr im Spätsommer treffen sich in Lech an fünf Tagen hunderte Menschen, um im Rahmen des „Philosophicum“ die Gedanken führender Philosophen und Wissenschaftler zu einem jährlich wechselnden Thema zu hören und zu diskutieren. Nach „Glück und Glücklichsein“ im Jahre 2011 rückten heuer „Der Mensch und sein Tier“ in das Zentrum der Betrachtungen. Das überaus kontroversielle Thema bewegt sich in der öffentlichen Wahrnehmung zwischen den Polen „Streichelzoo“, „Hundeprofi“ und „Delfintherapie“ auf der einen Seite und Hühnerlegebatterien, Tierversuchen und Artensterben auf der anderen. Der führende amerikanische Anthrozoologe Hal Herzog brachte es kurz und prägnant auf den Punkt: „Wir streicheln und wir essen sie!“

Auswirkungen auf Tourismus und Gastronomie

Der gesellschaftliche Wertewandel verändert das Konsumverhalten oft im Stillen und radikal. Waren 2002 in Deutschland erst rund 2,5 % der Menschen Vegetarier, so sind es 2012 neuen Studien zufolge bereits 11 %, davon ein Viertel sogar Veganer. Die Vervierfachung in 10 Jahren beweist, dass die Gastronomie es hier also nicht mit ein paar „Entrückten“ zu tun hat. Sondern vielmehr mit einer Bewegung, ohne dass das auf dem Gros der Speisenkarten im Land wirklich sichtbar würde, wenn man von Alibi-Dinkellaibchen und Nudeln mal absieht! Ähnliches gilt für den Mensch und sein Tier. Hunde sind und bleiben die liebsten Haustiere der Europäer. Ihre „Beziehungsdauer“ zu ihren Menschen ist längst zeitlich weit stabiler als die zu den Ehepartnern und dauert mittlerweile doppelt so lange, wie eine durchschnittliche Ehe. Aus touristischer Sicht fehlen jedoch in Österreich noch immer die überzeugenden Angebote für „Urlaube mit dem Hund“ (oder mit der Katze), die über „Hunde erlaubt – Preis ohne Futter pro Tag“ wirklich hinausgehen. In der Branche wird dabei vergessen, dass für das geliebte Haustier nichts zu schade oder zu teuer ist. Wenn es denn angeboten würde, würden z. B. Hundesitting, gemeinsame Restaurantbesuche von Hund und Frauchen oder gemeinsame Wandertipps auch gebucht und genutzt werden. Touristische Hundekompetenz vom Feinsten kann man bereits auf Sylt besichtigen, wo man längst „verstanden“ hat, was in diesem Thema steckt, wenn man es perfekt macht! Tiersendungen sind die mittlerweile populärsten Formate vieler Sender und auch im Handel. „Der Hundeprofi“ füllt Hallen wie ein Popstar, „Fressnapf“ ist eine der expansivsten Handelsketten in Mitteleuropa. Der Tourismus ist bei solchen Formaten nicht anzutreffen und steht sich lieber auf überfüllten touristischen Publikumsmessen die Beine in den Bauch!

Den Wertewandel erkennen und nutzen

Aktuell findet ein gesellschaftlicher Paradigmenwechsel zu mehr „Nachhaltigkeit“, oder wie in der Marketingsprache genannt „zum Sinusmilieu der Postmaterialisten“ statt. Dieser bewirkt auch eine veränderte Sichtweise zum Thema „Mensch und Tier“: Ja, wir „streicheln und wir essen sie“ wohl auch weiterhin, aber für einen wachsenden Teil der Menschen und unserer Gäste ist es nicht mehr egal, WIE Tiere leben und gehalten werden und WIE sie sterben, geschweige denn WAS sie selbst essen. Tiere sind ein zentraler Bestandteil unseres sozialen Lebens, gerade auch in unserer Freizeit, und treten oft an die Stelle von menschlichen Partnern oder Kindern. Jene (Destinations-) und Einzeltouristiker, die dies erkennen, glaubhaft und „nachhaltig“ selbst leben und wirkungsvoll kommunizieren, verfügen über große ökonomische Chancen: Herkunftshinweise auf den Produkten regionaler Lieferanten von „Lammfleisch“ oder „Bauernbutter“ und Initiativen wie „Urlaub mit dem Hund“ sind da gerade mal ein zarter (aber richtiger) Anfang.

29. November 2012, 18:07

an: Dr.OttFriedHAFNer@Yahoo.de

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