19. Juli 2020 | 17:30 | Kategorie:
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Der nächste Winter kommt bestimmt

Die Art von Tourismus, die in Österreichs Skigebieten vielerorts geboten wird, gilt als Gesamtkunstwerk. Meist ist es ein historisch gewachsenes Geflecht unterschiedlichster Leistungsträger, die (wie auch immer orchestriert) seit Jahrzehnten ein stimmiges Erlebnis für den Gast zustande bringen. Der nächste Winter kommt bestimmt, die Rahmenbedingungen sind angesichts von COVID-19 jedoch unklar. Diese Art von ganz grundlegender Unsicherheit ist neu und wird uns wohl noch einige Zeit erhalten bleiben.

Bei manchen Risiken kann die Branche praktisch keinen Einfluss nehmen. Wenn sich die gesamtwirtschaftliche Entwicklung in Europa weiterhin verschlechtert, dämpft dies natürlich die Nachfrage im Skitourismus. Wenn jedoch in relevanten Herkunftsmärkten (und seien es „nur“ regionale) Ausgangsbeschränkungen verordnet werden, dann könnten Gäste auch überhaupt ausbleiben. In Australien sah sich beispielsweise Eigentümer Vail Resorts gezwungen, den Betrieb von zwei Skigebieten im Bundesstaat Victoria nach nur einer Woche Wintersaison bis zumindest 19. August wieder einzustellen, nachdem über die Hauptstadt Melbourne aufgrund des dortigen Infektionsgeschehens (nach Lockerungen) erneut ein Lockdown verhängt worden war und zudem die Grenzen zu New South Wales (und damit Sydney) geschlossen sind.

Wir können nur hoffen, dass uns im Winter 2020/2021 eine Situation erspart bleibt, in der mangels ausreichender Nachfrage Skigebiete den Betrieb teilweise oder zur Gänze einstellen müssten. Zumal unsere kleinteilige Struktur solche „rationalen“ Entscheidungen oder einen solidarischen Ausgleich am Standort (geschweige denn darüber hinaus) nicht gerade erleichtert.

Andere Risiken können Skigebiete sehr wohl aktiv managen, hier eine Auflistung von möglichen Maßnahmen ohne Anspruch auf Vollständigkeit:

  1. Wie überall sonst gilt es auch im Tourismus Bedingungen zu vermeiden, in denen sich COVID-19 nachweislich leichter verbreitet. Die WHO nennt das die „drei Cs” (Crowded places, Close-contact settings, Confined and enclosed spaces).
  2. Die in einer Region jeweils gültigen Verhaltensregeln (und dahinter liegenden Standards) sollen vereinheitlicht, gemeinsam kommuniziert und auch tatsächlich umgesetzt werden. Alleingänge einzelner Betriebe, Orte oder Skigebiete schaden nur, es braucht ganz im Gegenteil verstärkte Zusammenarbeit und Solidarität.
  3. Die Themen Kapazitätsmanagement und Besucherlenkung sind wichtiger denn je, gilt es doch auf betrieblicher, überbetrieblicher und sogar standortübergreifender Ebene Auslastungsspitzen (und seien sie noch so kurz) zu vermeiden bzw. die Auslastung insgesamt zu optimieren.
  4. Der Umgang mit Verdachts- und auch Infektionsfällen bei Mitarbeiter*innen und Gästen muss so professionell wie nur irgendwie möglich sein. Das betrifft nicht zuletzt auch das wichtige Thema der Öffentlichkeitsarbeit.

 

24. Juli 2020, 15:09

Nachdem der Virus noch lange unter uns sein wird, andererseits noch weit und breit keine Medikation oder eine erprobte Impfung in Sicht ist, entpuppt sich die ernstzunehmende Empfehlung der WHO „to avoid the 3 Cs“ als eine sehr bedrohliche Aussicht auf unsere kommende Wintersaison. Diese 3 Punkte sind bis auf die paar schönen Schwünge auf den herrlich präparierten Skipisten als das bisherige Erfolgsrezept unseres devisenträchtigen Wintersportgeschäfts: prall gefüllte Seilbahngondeln (egal welcher Größe), Crowds an den Kassen an der Talstation und bei den Drehkreuzen der Seilbahnbetriebe, brechenvolle Skihütten und Bergrestaurants während des Tages, noch überfülltere Discos, Bars und Tanzlokale in der Nacht, am nächsten Morgen wieder gerammelt volle Skibusse und dasselbe Massenspektakel wie am Vortag und wie an allen Tagen des „erholsamen“ Skiurlaubs. Eine 6-er Gondel nur mit 2 Personen zwecks Abstand zu bestücken oder eine 60-er Gondel mit 10 Personen, geht sich betriebswirtschaftlich zu den jetzt schon hohen Skipasspreisen nicht aus.

Da baut sich also ein Ischgl-Szenario mal 20-30 allein in Österreich auf.

Übrig bleiben werden vermutlich die Langlaufzentren, die Skitouren-Eldorados und a bissl Schneeschuhwandern, Winterwandern inkl. Wildbeoachtung.

Was das für das erfolgverwöhnte Wintertourismusland Österreich bedeuten wird, wird mehreren Leuten schön langsam dämmern. Wir können es heute schon erahnen, wenn wir die derzeitige Situation der Skiresorts in Australien beobachten. Weil: der Virus geht nicht, noch lange nicht. Aber unsere Gäste und Kunden.

Tja, wer hätte das gedacht. Guter Rat wird in der Tat sehr teuer werden.

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