6. August 2020 | 14:50 | Kategorie:
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Die zunehmende Rücksichtslosigkeit der Freizeitgesellschaft…und mögliche Lösungen!

Boomender (E-)Bike Markt und daraus entstehende Nutzungskonflikte, überfüllte Ausflugsziele, Konfrontationen zwischen Freizeitnutzern und Grundstückseigentümern, Kuhattacken versus Hundeproblem…und all das in einem ohnehin nicht einschätzbaren Corona-Sommer 2020!

Das meiste hört sich zwar an wie ein Problem aus jenen Zeiten, als so mancher noch über Overtourism klagte, doch wie schnell sich die Herausforderungen auch im Tourismus ändern können, durften und mussten wir in den letzten Monaten erfahren und müssen wohl auch noch länger damit leben.

Einerseits bin ich selbst Touristiker, andererseits aber auch begeisterter Freizeitsportler am Berg, im Wald und in der freien Natur, und das zu jeder Jahreszeit. Dabei versuche ich, die Rechte anderer zu respektieren, mich nach Möglichkeit auf legalen Wegen zu bewegen ( gelingt nicht immer ) und mich auch in die jeweils andere Seite hinein zu versetzen. Wenn man das jedoch tut, erkennt man relativ rasch, daß hier einiges im Argen liegt, was uns wohl auch in den nächsten Jahren (noch mehr) beschäftigen wird.

Die einen fordern die allumfassende und bedingungslose Öffnung von Wäldern, Bergen und Wegen möglichst für jede Freizeitnutzung, während sich die anderen immer mehr gegen jene Nutzung stemmen. Weite Teile der Freizeit-, Sport- und Tourismuswirtschaft bis hin zu Handel und Gastronomie machen glücklicherweise hervorragende Geschäfte, während andere versuchen, ihr Recht auf Grund und Boden sowie Privateigentum, welches teilweise unverschämt und ignorant mit Füssen und Händen getreten wird, zu verteidigen.
Immer öfter kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, daß es hier zunehmend an gegenseitigem Respekt und an Toleranz mangelt, und immer öfter sogar (verbale) Handgreiflichkeiten und Anzeigen als letzter Ausweg gesehen werden!

Bloße Appelle an Vernunft und Beschränkung scheinen immer weniger Aussicht auf Erfolg zu bringen, der Egoismus der Freizeitgesellschaft scheint kaum Grenzen zu kennen, wenn es um die Durchsetzung der eigenen Interessen und Vorlieben geht. Manchmal mag es zwar auch „nur“ Unvernunft oder Übermut sein, was am Ergebnis jedoch wenig ändert.

Jawohl, ich breche hier eine Lanze für das grösste Recht,  welches es wahrscheinlich gibt: das Eigentumsrecht von Grundstückseigentümern, welches im Zweifelsfall wohl über alle anderen Interessen zu stellen ist. Und ja, ich verstehe nicht nur die Interessen der Freizeitgesellschaft und des Tourismus, sondern auch „die andere“ Seite….. Sind so manche Konfliktauslöser tatsächlich unmöglich aus der Welt zu schaffen? Ich meine nicht…

Hier in aller Kürze ein paar Ansätze zur Belebung der Diskussion 😉

Diese Ansätze sind keineswegs fertig ausgereifte Maßnahmen, aber beim einen oder anderen könnte sich gemeinsames „weiterdenken“ durchaus rentieren:

  1. Einhebung einer „Fahrrad-Steuer“ auf alle geländegängigen Fahrräder, sprich vor allem E-MTB sowie alle anderen MTBs bereits beim Verkauf

    Eine solche Steuer könnte in einen Topf pro Bundesland fließen, aus welchem dann – zusätzlich zu bisherigen Entschädigungen – Abgeltungen, Rekultivierungen sowie zu definierende Maßnahmen GEMEINSAM mit kooperationswilligen Grundstückseigentümern umgesetzt werden könnten. Diese Abgabe könnte aber auch durchaus von Fahrradproduzenten direkt zu erbringen sein, die ja mit der aktuellen Situation auch entsprechend gute Geschäfte machen.

    • eventuell sogar Einführung einer eindeutigen und verpflichtenden Kennzeichnung des Fahrrades, um im Bedarfsfall auch rechtliche Konsequenzen setzen zu können
  2. Alternativ zur Fahrradsteuer könnte es auch einen (Sommer)Freizeitpass, ähnlich einer Saisonkarte geben, für Sportarten, welche z.B. durch das freie Betretungsrecht des Waldes nicht selbstverständlich abgedeckt sind. Somit könnten Nutzer auch freiwillig einen Beitrag zur Ausübung ihres Sportes leisten!

    Denn – was nichts kostet, ist nichts wert! Egal ob Langlauf, Golf, Ski, Eislaufen usw. – viele Sportarten kosten, wenn auch nur geringe Beträge, aber dennoch – Geld! Jede Bereitstellung von Infrastruktur – seien es Wege, Beschilderung, Kartenmaterial, Instandhaltung usw. kostet ebenfalls Geld, also sollte/muss die Nutzung wohl auch etwas kosten….?

    Durch die Ansätze 1 und 2 könnten Grundstückseigentümer stärker als bisher und direkt vom Boom, und nicht nur der steigenden Belastung, p!

  3. Verpflichtende Freigabe von Forstwegen für MTB-Nutzung, welche mit öffentlichen Mitteln co-finanziert wurden
  4. Gesetzlich verankerte, deutliche erhöhte Eigenverantwortung aller „Nutzer“ (wie im Fall der Sicheren Almen bereits geschehen) – es kann nicht angehen, daß bei immer mehr Freizeitunfällen unweigerlich ein Verantwortlicher gesucht wird, unabhängig der Ursache und teils sogar nach Unfällen auf eindeutig für die entsprechende Nutzung gesperrten Wegen! Genau solche Fälle schrecken letztlich immer mehr Grundstückseigentümer ab, ihren Grund und Boden der Öffentlichkeit zur Verfügung zu stellen…

Allein rund um das Thema (E)-MTB Nutzung und damit verbundene „Herausforderungen“ könnte man schon wieder einen separaten Artikel verfassen!

Zum Abschluss

Eines möchte ich abschließend anmerken: erst ein (intensiver) Tourismus ermöglicht die Bereitstellung einer in Österreich in weiten Teilen hervorragenden Freizeitinfrastruktur.Erst dadurch kann diese vielfach und intensiv, vor allem auch von Einheimischen, genutzt werden.

Während jedoch der Gast diese Infrastruktur nicht nur mit seinen Ausgaben und vor allem auch Abgaben wie der nächtigungsbezogenen Ortstaxe definitiv mitfinanziert, beansprucht so mancher Einheimische vieles, und noch dazu wie selbstverständlich, als „sein“ Eigentum und gutes Recht. Oftmals jedoch ohne auch nur einen Cent direkt dafür zu bezahlen. Defacto entstehen somit viele der eingangs erwähnten Probleme keineswegs nur durch Gäste, wie uns von Landwirten, Hüttenbesitzern, Bergbahnern, Grundstücksbesitzern usw. immer öfter mitgeteilt wird!
All jene, die sich vorbildlich an Regeln und Vorschriften halten, sollten sich hier nicht angesprochen fühlen.

Diese Konflikte sind somit oftmals keineswegs ein rein touristisches Thema, sondern (eben auch) Ergebnis des immer intensiveren und auch egoistischen Freizeitverhaltens vieler Einheimischer.

Akzeptanz, Toleranz, Respekt, Eigenverantwortung und letztlich (neue) und gesetzlich verankerte Richtlinien könnten sicher dazu beitragen, daß auch in Zukunft unsere Natur- und Berglandschaft Millionen von Menschen begeistern kann – Einheimische genau so wie Gäste, und noch dazu in einem Miteinander statt Gegeneinander von Interessen.

All das – ein frommer Wunsch? Vielleicht, aber so wie immer öfter selbst erlebt, kann es sicher nicht weitergehen, daher braucht es für die gemeinsame Zukunft neue Lösungen!

 

6. August 2020, 23:05

1) Sie sagen richtig, es geht um einen Mangel an Einfühlungsvermögen in die Gegenseite. Ich plädiere demgemäß für einen Mountainbike-Führerschein, in dessen Rahmen Praktika bei Viehhaltern, Ackerbauern, Förstern und Jägern vorgesehen sind. Nummerntafeln werden auch unabdingbar sein.
2) Das Eigentumsrecht ist wichtig, in diesem Zusammenhang aber gewissermaßen eine Themenverfehlung, die zu weiterer Polarisierung führen könnte, siehe: https://www.falter.at/zeitung/20200707/ausgsperrt-is .
Es geht vornehmlich um etwas anderes:
Die Natur ist unsere Lebensgrundlage. In einer Welt mit wachsender Bevölkerung ist jede landwirtschaftliche Nutzung, speziell wenn sie maximal ökologisch erfolgt wie die Almwirtschaft, lebensnotwendig. Österreich ist bereits nicht mehr autark! Österreichs Almen produzieren Nahrungskalorien für 300.000 Menschen. Ohne sie müsste stattdessen zusätzlicher landwirtschaftlicher Grund genutzt werden, den es nicht mehr gibt, selbst wenn es für vegane Ernährung wäre. Forstwirtschaft sorgt für erneuerbare Energie und nachwachsende Rohstoffe. Der Konflikt zwischen Land- und Forstwirtschaft sowie Jagd auf der einen Seite und Touristen auf der anderen Seite wäre der gleiche, wenn diese Betriebsformen nicht privatwirtschaftlich, sondern staatlich organisiert wären. Das Straßennetz gehört uns allen, dennoch gelten dort strenge Verhaltensregeln. Wer die Fahrbahn nutzen will, braucht eine Führerscheinprüfung, bei der man auch durchfallen kann, und man kann die Lenkerberechtigung bei Fehlverhalten wieder verlieren. Es geht daher in den Bergen nicht um einen Konflikt zwischen der besitzenden Minderheit der Bauern und der grundbesitzlosen städtischen Bevölkerung, es geht um gemeinsame Verantwortung.

7. August 2020, 8:37

Eine Regulierung mit neuen Steuern zu regeln ist zu banal. Der Verwaltungsaufwand bei einer Umverteilung zwischen Bund und Ländern, wie etwa beim Finanzausgleich, frisst den Großteil auf!

7. August 2020, 13:49

Es freut mich, wenn dieses Thema in einen konstruktiven Dialog kommt. Ein paar wenige Anmerkungen kann ich dazu beitragen. Der Rest kann gerne auf unserer Webseite nachgelesen werden, oder auch live am Mountainbike Kongress in Saalbach mitdiskutiert werden.

1) Auslöserfaktoren für Konflikte:
Zum einen können Auseinandersetzungen dann auftreten, wenn die Gegenpartei andere Werte, Vorstellungen und Verhaltensweisen zeigt. Zum anderen entstehen sie dann, wenn die Beteiligten unterschiedliche technische Geräte nutzen. Ebenso wird das Auftreten von Konflikten durch unterschiedliche Toleranzgrenzen der beteiligten Personen beeinflusst.
Beim Verfolgen von Sportaktivitäten im Outdoor-Bereich kann zwischen sozialen und ökologischen Nutzungskonflikten unterschieden werden. Bei sozialen Nutzungskonflikten erfolgt die Auseinandersetzung aufgrund der Ausübung von unterschiedlichen Aktivitäten im natürlichen Raum.
Soziale Konflikte entstehen zumeist über die Menge bzw. des fehlenden Respektes des Gegenübers und nicht basierend auf Sportgerät bzw. Fortbewegungsmittel.

2) Grundeigentum & Freigabe:
Ein Großteil der Naturnutzer lebt im urbanen Raum und nicht in den Tourismusgebieten. In Tourismusgebieten ist die Freigabe zur Nutzung deutlich einfacher als in Naherholungsgebieten. Dies liegt vor allem darin begründet, dass die Umverteilung der Wertschöpfung durch den Touristen insbesondere auch über den Winter eine andere ist als im Bereich der Naherholung. Die geltende Gesetzeslage erschwert es natürlich Streckenfreigaben zu bekommen, da hier die Einstimmigkeit gefordert ist. Jedoch auch bei anderer Gesetzeslage wie z.B. in Bayern oder in Südtirol kommt es auch hier zu Konflikten.

3) Parameter zur Konfliktbeschleunigung:
Wir leben in einer Leistungsgesellschaft, die Menschen werden mehr und mehr in „Wohnzellen“ gehalten, mittlerweile auch am Land. Die Tätigkeit in vielen Fällen ist am Bildschirm von früh Morgens bis spät Abends. Dies benötigt ein Ventil. Dazu kommt der „Corona-Effekt“ genauso wie der Klimawandel = Gesellschaft im Wandel und das vermehrte „gesund & aktiv Leben“ – daraus folgt eine deutliche stärkere Nutzung des Naturraums von der Haustüre weg oder von den vermeintlichen schönsten POI.

Diese epochalen Umwälzungen sind Fakten und ähnlich den Goten vor Rom werden wir diese nicht verleugnen können und auch nicht durch Verbote aufhalten.

4) Lösungen:
Eine Raumplanung für den Langsamverkehr in Abstimmung mit wildökologischen Gesichtspunkten u.a.m. welches eine attraktive Wegplanung mit einschließt, einem Monitoring hinsichtlich der Konfliktzentren und gestärkt durch Lenkungsmaßnahmen. Dies am besten ausgehend von den Lebensorten der Menschen und nicht in Freizeitgettos.

Dies waren nur auszugsweise ein paar Gedanken und Ansätze. Mehr dazu am mtbkongress.

7. August 2020, 16:02

Freut mich, wenn es dazu Reaktionen gibt; DIE EINE Lösung gibt es hier sicher nicht, wie auch die Kommentare schon ersichtlich machen. Wichtig ist aber, daß hier nach Möglichkeit österreichweit ein gemeinsamer Weg beschritten wird, damit der „Fleckerlteppich“ und die Vielzahl an individuell unterschiedlichen, teilweise nicht nachvollziehbaren Regelungen zusammengeführt werden kann!

Dies wird letztlich nur mit klaren politischen und rechtlichen Grundlagen passieren können, andernfalls werden die u.a. auch von Harald Maier skizzierten gesellschaftlichen Veränderungen die Probleme stetig zunehmen lassen. Hier ist also die Politik, gemeinsam mit Experten aus den angeführten Bereichen, sicher gefordert, konstruktive Lösungen auszuarbeiten, bevor solche Themen eskalieren und somit noch schwerer lösbar werden.
Ich bin überzeugt, daß hier mit entsprechender Bewusstseinsbildung, Willen, aber auch finanziellen Überlegungen ein Weg gefunden werden kann – bzw. muss?

12. August 2020, 22:58

Es scheint in Wien zumindest ansatzweise gelungen, durch die Initiative Einzelner und einer Fülle von Gesprächen die Nutzungskonflikte zwischen Grundeigentümern, Jägern und Wanderern zu entschärfen. Es wurde versucht, das Miteinander und die gegenseitige Rücksichtnahme zu verbessern und auch einige legale, teils herausfordernde Trails anzulegen, die jetzt von der Mountainbike-Gemeinde genutzt werden.

Ich halte wenig von neuen Steuern aber der VErein Wienerwald TRails versucht Geld von seinen Mitgliedern einzuheben um damit auch die notwendigen Aufgaben erfüllen zu können. Die Tätigkeit des Vereins hat schon viel dazu beigetragen, Verständnis bei den anderen Waldnutzern herbeizuführen aber auch die eigenen Mitglieder zum Anhalten der Regeln anzuhalten.

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