12. Dezember 2019 | 17:55 | Kategorie:
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Ein Rekord zum Nachdenken

Schon wieder haben wir einen Rekord eingefahren. Die Sommerbilanz zeigt einen weiteren Nächtigungszuwachs und mit insgesamt mehr als 150 Mio. Nächtigungen im vergangenen Jahr hat Österreich einen Höchstwert an touristischer Nachfrage erreicht, denn man vor einigen Jahren nicht für möglich gehalten hätte. Hinter der scheinbar stetig steigenden Zahl von Gästen verbirgt sich ein beachtlicher Umbau, der sich seit der Jahrtausendwende vollzogen hat. Da ist etwa der Nächtigungsanteil unserer bundesdeutschen Nachbarn auf 38 % zurückgegangen, während die Zahl der Gäste aus Osteuropa und aus dem asiatischen Raum in erfreulicher Weise sich vervielfacht hat.

Der Erfolg hat aber auch bewirkt, dass mittlerweile Tourismusskepsis, Landschaftsverbrauch und Overtourism oft vernommene Schlagwörter sind, die aufzeigen, dass wir uns vor allem in den tourismusintensiven Regionen einer Belastungsgrenze nähern. Ausschließlich quantitatives Wachstum kann nicht mehr ein anzustrebendes Ziel sein.

Aber auch qualitatives Wachstum darf nicht als „pimpen“ von Bergen durch Errichtung spektakulärer Anlagen wie Hängebrücken, Gipfelrestaurants und Schaffung neuer Pistenkilometer­rekorde verstanden werden. Nach „James Bond am Berg“ und 76 Themenbergen in Österreich ist wohl auch die Frage zu stellen: Wann ist „genug genug“? Wo gibt es noch Eingriffe und Gestaltung und wo soll die Natur bleiben wie sie ist?

Das bedeutet aber eine Veränderung in der bisher vor allem wachstumsgetriebenen Denkweise und eine behutsame und verantwortungsvolle Weiterentwicklung dessen was wir haben und was unseren Tourismus ausmacht.

13. Dezember 2019, 19:52

Franz Hartl weckt mit seiner Frage „Wann ist genug genug?“ Erinnerungen an die Festrede von Tobias Moretti zum 125-Jahr-Jubiläum der Tourismuswerbung in Tirol. Moretti hatte in seinen Ausführungen – und das nicht zum ersten Mal – das Dogma des grenzenlosen Wachstums im Tourismus hinterfragt.

Und das macht auch Franz Hartl – ebenfalls nicht zum ersten Mal – in seinem Blog-Beitrag „Ein Rekord zum Nachdenken“. Er weist auf die Notwendigkeit einer Veränderung in der bisher vor allem wachstumsgetriebenen Denkweise hin und fordert eine behutsame und verantwortungsvolle Weiterentwicklung dessen, was wir haben und was unseren Tourismus ausmacht.

Damit bilden die beiden keineswegs ein allein dahinradelndes Tandem, sondern sie sind in bester Gesellschaft mit anderen Persönlichkeiten von hoher wirtschaftlicher und sozialer Kompetenz. Das zeigte beispielsweise eine mit Ökonomen und Theologen prominent besetzte Diskussionsrunde in der vergangenen Woche in Innsbruck. Auch dort wurde betont, dass eine Transformation, also eine Veränderung unseres Wirtschaftssystems unabdingbar ist, um das Ziel einer ökonomisch, sozial und ökologisch nachhaltigen Entwicklung sicherzustellen.

Druck dazu kommt mehr und mehr aus der Zivilgesellschaft, auch wenn die Politik – und auch Interessensvertretungen – deren Initiativen kaum ernst nehmen, als Populismus abtun und ins Lächerliche ziehen. Petitionen, die zig-tausende Unterschriften erreichen, sprechen jedoch eine klare Sprache und sind nicht mehr wegzudiskutieren.

Ich selbst bewege mich in einem touristischen und bergsportlichen Umfeld. Dabei höre ich immer wieder von Touristikern (auch von Skigebietsbetreibern), dass der quantitative Umfang des Angebots eigentlich ausreicht. Inzwischen wird auch unter Touristikern offen diskutiert, wie mit den Massen an Touristen umzugehen ist und ob die nun erreichte Zahl an Gästen genügt oder nicht (z.B. dieser Tage bei der Jahreshauptversammlung des TVB Mayrhofen).

Zudem verliert das Argument, dass wir den Tourismus ausbauen müssen, um unseren Bergtälern einen entsprechenden Wohlstand zu sichern, an Glaubwürdigkeit. Denn überall dort, wo Wintersporttourismus möglich ist und entsprechende Infrastrukturen vorhanden sind, ist der wirtschaftliche Wohlstand nicht übersehen. Hier schließt sich der Kreis zur Forderung von Franz Hartl, wonach es gilt, den Tourismus, aufbauend auf dem Vorhandenen, behutsam und verantwortungsvoll weiterzuentwickeln.

In die gleiche Richtung weisen die Ergebnisse der jüngsten Erhebungen zur Tourismusgesinnung der Tiroler Bevölkerung. Auf der einen Seite bestätigen 98 % der Befragten die wirtschaftliche Bedeutung des Tourismus, auf der anderen Seite vertreten 74 % die Ansicht, dass die Zahl der Gäste in Zukunft gleichbleiben soll. Weitere 18 % fordern eine Reduktion der Zahl der Gäste und lediglich 8 % erachten eine weitere Zunahme als erstrebenswert.

Anhand dieser sowie zahlreicher anderer Beobachtungen und Indizien kann die Ausgangsfrage „Wann ist genug genug?“ jedenfalls für die touristisch hochentwickelten Bundesländer mit einem klaren „hier und jetzt“ beantwortet werden. Selbstverständlich sind innovative Weiterentwicklungen in Richtung Qualität und Effizienz erforderlich und erwünscht. Verbesserte Effizienz und reduzierter Ressourceneinsatz (z.B. Wasser, Energie) dürfen aber keinesfalls über die Ausweitung der Quantität wieder ausgehöhlt werden.

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