10. September 2019 | 11:33 | Kategorie:
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Karriere oder Kinder in Zeiten des Fachkräftemangels

Das herausfordernde Thema der Personalwirtschaft im Tourismus ist omnipräsent. Buzzwords wie „Armutsfalle Teilzeit“ oder „Frauenquoten“ schwirren durch die HR – Abteilungen. Tanja Koller hat sich in einer Studie mit den Themen Frauen, Karriere und Familie beschäftigt und fordert „Karriere DURCH Kinder“.

Der folgende Text wurde verfasst von Tanja Koller (Bachelor-Absolventin Gesundheitsmanagement im Tourismus) und Harald A. Friedl (Associate Professor am Institut für Gesundheits- und Tourismusmanagement).

 

Wir leben in Zeiten des ausufernden Fachkräftemangels. Und während Politik und UnternehmerInnen langsam Einblick in einige der Ursachen für diese klaffende Wunde des österreichischen Tourismus gewinnen, kommen ständig neue Herausforderungen hinzu. Etwa die für Frauen immer dringendere Frage „Familie und Karriere?“.

Diese Frage stellt sich so manche Frau am Beginn ihrer Karriere, insbesondere im Eventsektor. Jedoch wollen sich viele gebildete und karriereorientierte Frauen, die sich in einer Managementposition im Eventbereich befinden, den Wunsch auf eine eigene Familie nicht nehmen lassen, obwohl ihr Job und seine Nebenbedingungen nicht gerade vor Familienfreundlichkeit strotzen. Wie also lassen sich diese zwei Lebenskonzepte vereinen? Eine selbstbestimmte und geplante Mutterschaft muss in vielen Faktoren durchdacht werden. Wesentliche Erfolgsfaktoren sind der richtige Zeitpunkt für eine Schwangerschaft (sollte es diesen überhaupt geben!), die Unterstützung des Partners und der Familie, sowie die Abstimmung mit dem Arbeitgeber spielen eine wichtige Rolle bei der Familienplanung, wenn die Karrierewege auch für die Zukunft offen bleiben sollen.

 

Karriere ODER Kind

Nach dem Wiedereinstieg in den Job nach der Karenz ist nichts mehr so, wie es einmal war. An diesem Zeitpunkt müssen Frauen sich neuen Herausforderungen im Berufs- und Privatleben stellen. Karriere und Mutterschaft zu harmonisieren erfordert vor allem sehr viel Planung und flexibles Zeitmanagement. So sollte zunächst schon während der Karenz die fortwährende berufliche Qualifikation im Auge behalten werden. Mit dem Wiedereinstieg selbst ist vor allem die Aufteilung zeitlicher Ressourcen zwischen Kind und Beruf die zentrale zu meisternde Challenge.

Eine Befragung von Müttern, die wieder in ihrem Beruf tätig sind oder solche, die sich gerade im Prozess des Wiedereinstiegs befinden, brachte folgende wesentlichen Herausforderungen zu Tage: persönliche Zweifel der eigenen Kompetenzen nach langer beruflicher Pause, der gesellschaftliche Druck dem utopischen Rollenbild der perfekten Karrierefrau und Mutter zu entsprechen, praktische Diskriminierungen nach dem Wiedereinstieg in Gestalt einer abgesprochenen Qualifikation (so wurde einer vormaligen Eventmanagerin die „Wiedereinstellung“ als Reinigungskraft angeboten) … So berichtete eine Probandin: „…man hat mir meine ganzen Aufgaben entzogen. Man hat mir auch zusätzlich verboten mit den Kunden Gespräche zu führen. Ich habe eigentlich nur mehr putzen dürfen“. Solche Belastungen rauben einer Mutter nicht nur Kraft und Energie, sondern stellen wesentliche Hürden für Frauen dar, um trotz Mutterschaft dem touristischen Arbeitsmarkt – trotz zunehmendem Fachkräftemangel – zur Verfügung zu stehen…

 

Praktische Lösungen

Um den anfänglichen Hindernissen entgegen zu wirken und Beruf und Familie vor allem in der ersten Phase des Wiedereinstiegs zu meistern, pflegen primär Frauen ihre Arbeitszeiten zu reduzieren, um mehr Zeit mit dem Kind verbringen zu können. Doch auf diese verminderte aktive Arbeitszeit muss eine geeignete Betreuungsperson für das Kind gefunden werden, was besonders im ländlichen Raum eine wesentliche Herausforderung darstellt. Mit der verminderten Arbeitszeit, zugunsten einer aktiven Mutterschaft, verringert sich freilich auch das Einkommen der Mutter und somit nimmt die finanzielle Abhängigkeit gegenüber dem Partner zu. Darüber hinaus neigen viele Frauen im Rahmen ihrer aktiven Mutterschaft dazu in der Partnerschaft die Rolle der Hausfrau zu übernehmen. Diesen Trend zur Renaissance einer traditionellen Rollenverteilung von Mann und Frau kommentierte eine Probandin wie folgt: „Also er hilft definitiv mit. Doch geht er um halb sechs arbeiten und kommt um halb sechs Heim. Ich arbeite nur drei Tage die Woche und bin dann um halb zwei- zwei Uhr wieder zuhause. Darum mache das meiste ich…“. 

 

Karriere UND Kind

Eine der größten Herausforderungen ist die Kinderbetreuung, wenn es zu unvorhersehbaren Ausfällen der Betreuungsperson kommt oder die Erkrankung des Kindes die berufstätige Mutter in einen Konflikt bringt. Für solche Notfälle hilft ein großes soziales Netzwerk, aus dem jemand im Notfall für eine kurzfristige Kinderbetreuung „einspringt“. Darüber hinaus spielt das Unternehmen selbst eine wichtige Rolle für die Unterstützung von Mitarbeiterinnen bei der Erfüllung ihrer Mutterrolle. Ein Gespräch mit dem Geschäftsführer sollte Fragen, Bedenken und Sorgen aus der Welt schaffen, vorausgesetzt, der Betrieb bekennt sich zur Familienfreundlichkeit. Dies wird zunehmend zu einer Schlüsselstrategie zur Bewältigung des Fachkräftemangels, etwa durch das Angebot an Kinderbetreuungsstätten, flexiblen Arbeitszeiten oder Home-Office-Optionen. Wie so oft, die besten Lösungen finden sich im gemeinsamen Gespräch.

 

Karriere DURCH Kinder

Aktive Elternschaft wird immer noch primär als „Einschränkung“ betrachtet. Freilich ist es unbestreitbar, dass die Flexibilität berufstätiger Frauen durch ihre Mutterrolle eingeschränkt ist. Andererseits profitieren Frauen, ja Eltern! wesentlich durch ihre aktive Elternschaft, weil sie Zeitmanagement- und Organisationstalent trainieren, aber Charaktereigenschaften wie Empathie und Fürsorge, Hartnäckigkeit und Gelassenheit, aber auch Werte wie Gesundheits- und Nachhaltigkeitsorientierung entwickeln müssen. Doch eben diese Fertigkeiten benötigen erfolgreiche Fachkräfte im Tourismus, erst recht, wenn es um den Anspruch der „authentischen Gastfreundschaft“ geht oder darum, die „nachhaltigste Destination der Welt“ zu werden, wie vom „Plan T für Tourismus“ des Bundesministeriums für Nachhaltigkeit und Tourismus gefordert.

 

Fazit

Was die Zukunft des österreichischen Tourismus braucht, sind sogar MEHR berufstätige Mütter UND auch mehr berufstätige Väter, die ihre aktive Elternschaft ernst nehmen – bei MitarbeiterInnen UND in der Chefetage. Denn nur wer die Herausforderungen aus eigener Erfahrung kennt, wird Verständnis für die Anliegen der MitarbeiterInnen aufbringen und nach konstruktiven Lösungen suchen… und zudem genügend und engagierte Fachkräfte finden.

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