17. Oktober 2016 | 17:38 | Kategorie:
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Leerstände im Tourismus

In vielen Orten im ländlichen Raum, aber auch in Märkten und Städten sind leerstehende Erdgeschoßflächen, mitunter auch Leerstände von ganzen Häusern zu beobachten. Die Problematik ist seit Jahren akut und seit langem auch im Tourismus angekommen. Betroffen sind insbesondere Tourismusorte, die heute abseits des Mainstreams liegen, die infrastrukturell nicht mitgehalten haben oder die, in niedrigen Lagen um Wintersportangebote bemüht, vom Klimawandel gebeutelt werden.

Das Architektenteam der nonconform zt gmbh veranstaltet seit mehreren Jahren Tagungen zum Thema Leerstand, wobei die diesjährige Leerstandskonferenz den Fokus auf den Tourismus gelegt hat. Der Veranstaltungsort war gut gewählt: Die geschlossenen Betriebe entlang der Dorfstraße von St. Corona am Wechsel und die neue freizeittouristische Infrastruktur in der zwei Kilometer entfernten Fraktion Unternberg stehen symptomatisch für den Niedergang auf der einen und das Bemühen, mittels Leitinvestitionen das Ruder herumzureißen, auf der anderen Seite.

Regionale und fallbezogene Differenzierung

Im Zuge des Diskussionen hat sich rasch bestätigt, dass bei der Beurteilung von Leerständen im Tourismus und der Suche nach geeigneten Lösungen Betriebe, Orte und Regionen individuell betrachtet werden müssen. Insbesondere ist zwischen Gebieten mit intensivem und extensivem Tourismus zu unterscheiden sowie zwischen den alpinen Regionen Westösterreichs und den niedrigeren Berggebieten in den östlichen Bundesländern.

Aus diesem Grunde, aber auch wegen der komplexen und variierenden Ursachenbündel für bauliche Leerstände konnte kein Patentrezept für Lösungen erwartet werden. Dennoch kristallisierten sich in den Vorträgen, Diskussionen und Workshops Kernaussagen heraus, die breite Zustimmung gefunden haben und die für die Bewertung von und den Umgang mit Leerständen hilfreich sind. Im Folgenden einige Punkte ohne Anspruch auf Vollständigkeit:

Einige Kernaussagen zur Leerstandsproblematik

  • Leerstände stehen oft am Ende des Lebenszyklus eines Tourismusbetriebs oder eines ganzen Ortes, sie sind sozusagen das sichtbare Zeichen eines Geschäftsmodells, dessen Erfolge verblasst sind.
  • Mit Leerständen müssen nicht nur negative Assoziationen verknüpft sein. Leerstände können eine durchaus notwendige Phase in einem Entwicklungszyklus darstellen und Chancen für Veränderungen oder gar für einen Neuanfang bieten. Folgt man diesem Gedanken weiter, so sind Leerstände ungenutzte Potenziale, etwa vergleichbar mit der Brache in der Landwirtschaft, die der natürlichen Regeneration des Bodens dient. Leerstände können als Chance betrachtet werden, als günstige Gelegenheit, um mit dem Alten abzuschließen und sich dem Neuen zuzuwenden.
  • Die Analyse der Ursachen und des Umfeldes von Leerständen kann zum Schluss führen, dass ein Rückbau der touristischen Nutzung Sinn macht und die Umnutzung oder gar die Auflassung des Standorts weit zielführender erscheint als das krampfhafte Festhalten am einmal Gewesenen.
  • Bei länger dauernden Leerständen bieten Zwischennutzungen wie Kunstprojekte oder Non-Profit-Initiativen einen bewährten Ansatz, um die Zeitspanne bis zur definitiven Entscheidung über die Nachnutzung auszufüllen. Dass dieser Entscheidung eine strategische Orientierung zugrunde liegen sollte, versteht sich von selbst.
  • Damit Leitinvestitionen ihre Wirkung entfalten können und Folgeinvestitionen nach sich ziehen, müssen bestimmte Voraussetzungen gegeben sein. Dazu gehören insbesondere auch der Mut und die Bereitschaft der Menschen vor Ort, den Ball aufzunehmen, Projekte zu entwickeln und Folgeinvestitionen zu tätigen.
  • Die einladende Gestaltung öffentlicher Räume, die das innerörtliche Leben fördert, leistet einen wertvollen Beitrag zur Verhinderung von Leerständen bzw. zu ihrer Wiederbesiedlung. Attraktive öffentliche Räume sind zudem in der Lage, interessierte und kontaktfreudige Menschen – und dabei insbesondere die Jugend – wieder in das Ortszentrum zurückzuholen.
  • Rechtliche Rahmenbedingungen (Baurecht, Gewerberecht etc.) sind bei Altbauten häufig eine große, mitunter sogar unüberwindliche Hürde bei der Inwertsetzung von Leerständen für touristische Nutzungen.

Beispiele zeigen Perspektiven auf

Der Schwerpunkt der Vorträge lag auf konkreten Beispielen, die zeigen, wie im Tourismus mit Leerstand erfolgreich umgegangen werden kann bzw. wie Leerstände anderer Branchen in touristische Nutzungen übergeführt werden können. Zur Sprache kamen u.a. die Grätzlhotels in Wien, Urlaub am Bahnhof in Wienerbruck, der Mesnerhof in Steinberg am Rofan, die Art Lodge in Verditz und Amavido, eine Initiative zur touristischen Belebung süditalienischer Dorfer. Die Auswahl bezieht sich auf das Tagungsangebot und sie repräsentiert somit lediglich ein Segment aus dem breiten Spektrum möglicher Beispiele für Nachnutzungen von Leerständen im und durch den Tourismus.

Die genannten Initiativen besitzen einige Gemeinsamkeiten: Die Promotoren sind durchwegs junge Menschen, die auf der Grundlage ihrer persönlichen Geschichte (z.B. Bezug zum Standort) und der erlernten Profession (z.B. Architektur) initiativ werden. Sie bringen auf Reisen gemachte Erfahrungen ein, arbeiten in Netzwerken, wachsen in kleinen Schritten und legen auf diese Weise den Grundstein für weitere quantitative und qualitative Entwicklungsphasen.

Sie sprechen Zielgruppen an, die einige Ferientage oder -wochen in überschaubaren Einheiten verbringen wollen, sei es in der Stadt oder auf dem Land. Diese Gäste interessieren sich für die Menschen vor Ort und deren Lebensweisen, sie wünschen aber nicht jene (ständige) Nähe, wie sie im traditionellen Privatquartier oder in der kleinen Ferienpension gegeben war bzw. ist. Mit ihrer Initiative nützen und fördern die Promotoren auch die Rückbesinnung auf Altbewährtes, geben den klassischen Qualitäten der Erholung und der Sommerfrische aber einen kreativen, modernen und komfortablen Rahmen.

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