10. Februar 2020 | 16:50 | Kategorie:
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Nachhaltiger Tourismus – zwischen Wunsch und Wirklichkeit

Das Thema Nachhaltigkeit ist in aller Munde. In unzähligen Bereichen unserer Gesellschaft wird Nachhaltigkeit stärker denn je gefordert. Was der Begriff dabei tatsächlich bedeutet, wird meist nur unzureichend definiert. In der Reisebranche sprechen wir in erster Linie von verantwortungsvollem Tourismus, der den freiwilligen Beitrag von Unternehmen und Reisenden für eine nachhaltige touristische Entwicklung bezeichnet. Wer umwelt- und sozialverträglich reist, bemüht sich, die Natur und Umwelt am Urlaubsort möglichst wenig zu belasten und auf kulturelle und soziale Aspekte des Urlaubsziels Rücksicht zu nehmen. Gleichzeitig bedeutet verantwortungsvoller Tourismus aber auch, der lokalen Bevölkerung wirtschaftliche Chancen zu eröffnen, indem Urlauber in einheimischen Restaurants essen, landestypische Besonderheiten probieren und in kleinen Geschäften Souvenirs kaufen. Umwelt- und sozialverträglich zu reisen wünschen sich viele, meist scheitert es jedoch an der Umsetzung.

Urlauber im Zwiespalt

Der Ruefa-Reisekompass 2020 macht deutlich, dass gerade im Bereich des Umweltschutzes die aktuellen Debatten noch keinen spürbaren Einfluss auf die Urlaubswahl haben. Während im Alltag weit mehr als die Hälfte der Österreicher Wert auf Nachhaltigkeit legt, achten im Urlaub lediglich 45 Prozent darauf. Und sogar nur für 14 Prozent von ihnen war bei der letzten Urlaubswahl die Umweltfreundlichkeit wichtig. Doch warum wird Umweltschutz im Alltag viel stärker gelebt als auf Reisen?

Der Großteil der österreichischen Bevölkerung scheint die Auswirkungen von Reisen auf das Klima nicht so hoch zu werten, so das Ergebnis der repräsentativen Studie. Lediglich ein knappes Drittel sieht den Individual- und Reiseverkehr als zentrales Problem im Zusammenhang mit Umweltschutz. Außerdem sind nur wenige Österreicher bereit, beim Thema Reisen Kompromisse zu machen. Nicht einmal 20 Prozent geben an, sehr auf eine umweltfreundliche Anreise oder ein umweltfreundliches Hotel zu achten. Andererseits ist nicht jeder bereit oder in der Lage, mehr Budget für nachhaltiges Reisen zu investieren. Das beinhaltet natürlich auch, höhere Flugkosten zu bezahlen, um damit einen Beitrag zum Umweltschutz zu leisten.

Ein sensibilisiertes Reiseverhalten beweist allerdings der Großteil der Österreicher, sobald es um Massentourismus geht: So würden sie auf bestimmte Reiseziele verzichten, wenn diese sehr überlaufen wären und deren Bevölkerung und Umwelt darunter leiden könnte. Natürlich wird ein solches Verhalten von einem kleinen Teil der Weltbevölkerung den Massentourismus so rasch nicht abschaffen. Doch es kann ein erster Schritt in die richtige Richtung sein.

Tourismus bewirkt Gutes

Bei all diesen Diskussionen dürfen wir die positiven Effekte des Tourismus jedoch nicht vergessen! Tourismus zählt zu den weltweit wichtigsten Wirtschaftszweigen. Er schafft Arbeitsplätze, fördert den Handel und das traditionelle Handwerk. Dadurch entstehen zusätzliche Einnahmequellen, wodurch die Lebensverhältnisse der einheimischen Bevölkerung verbessert werden. Allerdings muss Tourismus immer die Bedürfnisse aller Beteiligten im Blick haben, denn nur so lassen sich Umweltprobleme und soziale Ungleichheiten vermeiden.

Es ist daher keine Lösung, kategorisch aufs Fliegen zu verzichten und nur noch in der Nähe Urlaub zu machen. Denn das ginge zulasten der sozialen Nachhaltigkeit, nämlich zulasten der Menschen, die vom Tourismus leben – gerade in den weniger entwickelten Ländern. In zahlreichen Gegenden der Erde sind es außerdem gerade die Touristen, die mit ihren Besuchen die Natur erhalten. Die Überlegung sei gestattet: Gäbe es in Afrika keinen Tourismus, würde vermutlich viel weniger in den so wichtigen Tier- und Naturschutz auf diesem Kontinent investiert.

Das können wir als Touristiker beitragen

Es fehlt noch immer an nachhaltigen Reise-Angeboten, denn die Nachfrage ist da. Der Ruefa-Reisekompass zeigt, dass rund jeder Vierte – sofern er vor die Wahl gestellt wird – bei zwei vergleichbaren Reiseangeboten in jedem Fall das nachhaltigere bevorzugen würde. Dies sollte für uns ein Anreiz sein, noch stärker in diese Form des Tourismus zu investieren und im Dienste der Umwelt zu handeln. Denn wir sind bereits am richtigen Weg: Weltweit haben Hotels und andere Beherbergungsbetriebe Initiativen gestartet, um die Auswirkungen auf die Umwelt zu minimieren. Auch die Verkehrsbüro Group setzt beispielsweise in den Austria Trend Hotels auf umweltbewussten Einkauf, sparsamen Energie- und Wasserverbrauch sowie konsequente Abfalltrennung.

Das allein ist bei Weitem natürlich noch nicht genug. Insbesondere in einem so boomenden Bereich wie der Kreuzfahrt-Branche werden Umweltschutz und Nachhaltigkeit künftig eine wesentliche Rolle spielen. Zwar machen Kreuzfahrtschiffe nur einen kleinen Teil der weltweiten Hochseeschifffahrt aus. Aber gerade sie müssen mit gutem Beispiel vorangehen, schließlich ankern sie mitten in Hafenstädten und befahren sensible Landschaften. Umso erfreulicher ist es, dass bereits zahlreiche Reedereien auf umweltverträgliche Maßnahmen setzen. Auf vielen Neubauten kommen moderne und nachhaltige Technologien zum Einsatz, ältere Schiffe werden nachgerüstet. Darüber hinaus werden vermehrt Materialien verwendet, die recyclingfähig sind, anerkannte Umweltzertifikate tragen oder aus nachwachsenden Rohstoffen bestehen.

Umwelt- und sozialverträglicher Tourismus funktioniert jedoch am besten abseits der Massen. Daher suchen wir bei der Verkehrsbüro Group aktiv neue Destinationen, um unseren Kunden authentische Begegnungen mit dem Gastland zu ermöglichen. Durchgeführt werden diese Reisen in Kleingruppen mit persönlicher Betreuung. Übernachtet wird in kleinen, privat geführten Hotels und Berghütten. So kommen die Ausgaben der Gäste auch der einheimischen Bevölkerung zu Gute. Nachhaltigkeit gepaart mit authentischen Erlebnissen – eine Kombination, die dem Reisen zukünftig noch mehr Individualität verleihen wird.

13. Februar 2020, 14:28

Danke für diese differenzierte und auch selbstkritische Darstellung aus der Sicht der Reisebranche. Dazu einige Gedanken.

Umweltverträglichkeit: Die Gründe für die Diskrepanz zwischen einem umwelt- und sozialverträglichen Verhalten im Alltag und auf Reisen sind mehrschichtig. Eine Ursache sehe ich darin, dass es in der vertrauten Alltagswelt wesentlich leichter ist, Grundsätzen der Umwelt- und Sozialverträglichkeit zu folgen als auf Reisen. Im Alltag greift die (zeitsparende) Routine, etwa beim täglichen Einkauf (regionale Produkte sind heute auch in Supermärkten eine Selbstverständlichkeit) oder bei der Wahl der Verkehrsmittel (dichtes ÖPNV Netz speziell in Agglomerationsräumen). Da das Reisen in der überwiegenden Zahl der Fälle zur Vergrößerung des ökologischen Fußabdrucks eines Individuums beiträgt, kann durch umweltgerechtes Verhalten im Alltag dazu ein gewisser Ausgleich geschaffen werden, was zur Verbesserung der persönlichen ökologischen Bilanz beiträgt.

Sozialverträglichkeit: Im Hinblick auf die Sozialverträglichkeit des Tourismus erachte ich die Aussage von Helga Freund, dass der Tourismus die Bedürfnisse der Beteiligten im Auge haben muss, für ganz wesentlich. Gemeint sind damit wohl alle in einer Destination arbeitenden und lebenden Menschen, also auch diejenigen, welche nur indirekt oder auch gar nichts mit dem Tourismus zu tun haben.

Neue bzw. andere Reiseziele: Die Initiativen der Verkehrsbüro Group zur Erschließung von Reisezielen abseits des Massentourismus sowie für Reisende, die an authentischen Begegnungen interessiert sind, ist begrüßenswert. Es ist zu hoffen, dass damit ein zunehmend größeres Stück vom Reisekuchens abgeschnitten werden kann. Dennoch wird ein erheblicher Teil der Reiseziele auch in Zukunft der Masse vorbehalten bleiben. Denn es gibt zu viele ökonomische und psychologische Push- und Pull-Faktoren, die diese Entwicklung steuern. Umsomehr gilt somit auch hier, gezielt ökologisches und soziales Gedankengut einfließen zu lassen. Ansätze dafür sind ja bereits vorhanden.

Konzertiertes Vorgehen: Damit der Wunsch nach nachhaltigem Tourismus mehr und mehr zur Wirklichkeit wird, ist es unabdingbar, dass die Politik geeignete Rahmenbedingungen schafft und die Medien ihren Beitrag zur Meinungsbildung sowie zur Motivation der Reisenden leisten. Die Unternehmen sind gefordert, ihre Bemühungen um nachhaltige Angebote konsequent fortzuführen und die Reisenden sind angehalten, diese Angebote auch anzunehmen.

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