10. März 2019 | 15:44 | Kategorie:
0

Schutzhütten und Mitarbeitermangel

In Österreichs Bergen gibt es etwa 450 Schutzhütten alpiner Vereine (ÖAV, DAV, Naturfreunde) und privater Eigentümer, die zusammen mit mehreren zehntausend Kilometer Bergwegen einen bedeutsamen Faktor unserer Tourismus- und Freizeitinfrastruktur darstellen. Auf die 25.000 Hüttenschlafplätze (Betten und Lager) entfallen nahezu 1 Mio. Nächtigungen. Die Dimension der Tagesgäste weist eine ähnliche Größenordnung auf. Die Anzahl der Arbeitsplätze auf den Schutzhütten dürfte in Spitzenzeiten im Sommer zwischen 3.000 und 3.500 betragen.

Große Spannweiten bei Größe und Wirtschaftlichkeit

Die Sommeröffnungszeiten sind abhängig von der Höhenlage der Hütten und der Tourenziele sowie der Exposition attraktiver Aufstiegsrouten. Die meisten Hütten sind von Mitte Juni bis Mitte September geöffnet, tiefer gelegene nehmen den Betrieb schon früher auf und halten bis in den Oktober hinein offen. Rund 20 % werden auch im Winter bewirtschaftet.

Die meisten Schutzhütten sind Kategorie-I-Hütten, d.h. sie liegen abseits von allgemein befahrbaren Straßen oder von Bergbahnen. Besucher können sie nur zu Fuß erreichen. Die kleinsten Schutzhütten in Österreich haben einige wenige Schlafplätze, die größten an die 200.

Herausforderungen für Eigentümer, Pächter und Mitarbeitende

Damit sind bereits einige Herausforderungen für die Arbeit auf Schutzhütten angedeutet wie Abgeschiedenheit, reduzierter Komfort, kurze Saisonen, hohe Wetterabhängigkeit u.a.m. Auch dürfen Kategorie-I-Hütten keinen Ruhetag einschalten, da sie für Bergsteiger jederzeit zugänglich sein müssen. Dazu kommt, dass die Hütten trotz der erschwerten Rahmenbedingungen am Berg weitgehend denselben gesetzlichen Regelungen unterworfen sind wie die Betriebe im Tal.

Vor diesem Hintergrund soll an zwei unterschiedlich gelagerten Beispielen aufgezeigt werden, wie Schutzhütten mit dem Thema Mitarbeiter bzw. Mitarbeitermangel umgehen. Der erste Fall repräsentiert große, voll bewirtschaftete Hütten, die leicht erreichbar sind. Das zweite Beispiel steht für eine Selbstversorgerhütte moderner Prägung, zu der ein längerer Zustieg führt.

Schutzhütte mit Vollbewirtschaftung

Die Franz-Senn-Hütte des Alpenvereins Innsbruck ist in gut einer Stunde zu Fuß erreichbar und sie dient als Stützpunkt für ein exzellentes Hochtourengebiet. Sie ist im Winter ca. 11 und im Sommer bis zu 17 Wochen bewirtschaftet. Zu ihrem Hinterland gehören das tourismusintensive Stubai sowie der Großraum Innsbruck und sie ist von Bayern über die Inntal- und Brennerautobahn rasch erreichbar.

Das Beispiel zeigt, dass es auch für bestens etablierte und mit hoher Professionalität geführte Schutzhütten kaum mehr möglich ist, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus der Region zu rekrutieren und diese daher von immer weiter hergeholt werden müssen. Deutschsprechendes Personal für den unmittelbaren Gästekontakt.t kommt aus dem östlichen Österreich, aus Deutschland und den Niederlanden. Hinter den Kulissen werken u.a. ein slowakisches Küchenteam und ein Sherpa, der hier m Rahmen der NepalHilfe Tirol seine alpintouristische Ausbildung absolviert. Die Küchenbrigade hält dem Betrieb seit mehreren Jahren die Treue, wogegen die durchwegs jungen Leute im Service nach der Saison wie Nomaden weiterziehen

Die Arbeit in Extremlagen und auf engem Raum verlangt vom Hüttenwirt viel Gespür im Umgang mit seinem Team. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ihrerseits sind gefordert, jene Spielräume zu nutzen, die ihnen das eng begrenzte soziale Umfeld am Berg bietet, um ihre Motivation aufrecht zu halten und zur positiven Stimmung im Hüttenteam beizutragen.

Selbstversorgerhütte – mehrere Fliegen auf einen Streich

Die alpinen Vereine sind bestrebt, ihre Schutzhütten als wesentliche Elemente der Berginfrastruktur zu erhalten, auch diejenigen, die wegen bescheidener Nachfrage eine rentable Bewirtschaftung durch einen Pächter nicht zulassen. Bevor eine Hütte aufgelassen oder verkauft wird, wird daher geprüft, ob sie im Selbstversorgermodus weitergeführt werden kann.

Solche Überlegungen wurden nach dem Abgang des letzten Pächters auch für das Leopold-Happisch-Haus der Naturfreunde im Salzburger Tennengebirge angestellt. Nach dem Vorbild des Gäste-Selbstverwaltungs-Hotels Salecina im schweizerischen Graubünden ist auf knapp 2.000 m eine moderne Selbstversorgerhütte entstanden, die dank ihrer baulichen und infrastrukturellen Rundumerneuerung die heutigen Bedürfnisse der Bergsteiger abdeckt. Der Eigentümer stellt haltbare Lebensmittelvorräte und Getränke ein, die Hüttenbesucher kochen selbst, reinigen selbst und bezahlen in eine Kassa. Die Aufgabe der ehrenamtlichen Hüttendienste beschränkt sich auf Informationstätigkeit. Zudem schauen Jäger, Hirten und Einheimische regelmäßig nach dem Rechten.

Mit dem System der Selbstorganisation der Hüttenbesucher erledigen sich Pächter- und Mitarbeiterfragen von selbst. Die bisherigen Erfahrungen sind absolut positiv, beim Eigentümer ebenso wie bei den Gästen. Für kleinere, schwer zugängliche Schutzhütten bietet dieses Modell zweifellos eine interessante Zukunftsperspektive, wobei künftig auf die bereits reichen Erfahrungen mit dem Leopold-Happisch-Haus zurückgegriffen werden kann.

Spielarten zwischen Vollbewirtschaftung und Selbstversorgung

Zwischen den beiden Polen gibt es mehrere Übergangsformen, mit denen der fehlenden Perspektive für Pächter sowie dem Mitarbeitermangel begegnet wird. Dazu gehören z.B. die vierzehntägig wechselnden, ehrenamtlichen Wirte auf der Rauhekopfhütte in den Ötztaler Alpen oder die auf Ehrenamtlichkeit beruhende Teilbewirtschaftung von Schutzhütten (Getränke, Suppen) rund ums Wochenende.

Zukunftsperspektiven

Die Herausforderungen bezüglich Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind am Berg im Prinzip dieselben wie im Tal, am Berg allerdings verschärft durch diverse Einschränkungen, die im Gebirge zwangsläufig vorhanden sind. Das eingeschränkte Umfeld motiviert viele, insbesondere Mitarbeitende aus Ungarn und der Slowakei, die Saisonwochen zu nutzen, um möglichst viel zu arbeiten und Geld zu verdienen.

Der generelle Mitarbeitermangel im Tourismus und Schwierigkeiten bei der Verpachtung von Schutzhütten an wenig frequentierten Standorten werden dazu beitragen, dass weitere Hütten auf Teilbewirtschaftung oder Selbstversorgung umstellen. Serviceleistungen dünnen auch am Berg aus, was jedoch an abgelegenen Plätzen wegen der dort geringen Gästezahl und den reduzierten Ansprüchen beim Bergwandern und Bergsteigen kein gravierendes Manko darstellen dürfte.

Positive Effekte sind vom immer höheren Komfort zu erwarten, der Pächtern und Mitarbeitenden geboten wird. Das gilt für generalsanierte Hütten und noch mehr für (als Ersatzbauten) neu errichtete Hütten. Diese weisen bei gleicher Zahl an Schlaf- und Gastplätzen im Vergleich zum Bestand ein um ein Drittel größeres Bauvolumen auf, um den aktuellen rechtlichen Regelungen zu entsprechen und den heutigen Bedürfnissen von Pächtern, Mitarbeitern und Gästen gerecht zu werden (z.B. Seethalerhütte am Dachstein).

 


Franz-Senn-Hütte (Fotocredit: Franz-Senn-Hütte)


Leopold-Happisch-Haus (Fotocretit: Naturfreunde Salzburg, Foto: Sebastian Krutter)

Kommentieren

Ihre Daten werden im Rahmen der Kommentarfunktion gespeichert, darüberhinaus aber für keine weiteren Zwecke verwendet. Weitere Informationen finden Sie in unserer Datenschutzerklärung.

Kommentar zurücksetzen