14. April 2019 | 18:01 | Kategorie:
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Skitourenlauf – Potential für Tirol?

In den Hochlagen herrschen derzeit traumhafte Verhältnisse für den Tourenskilauf. Da sind naturgemäß unzählige Feinspitze unterwegs, um lohnende Gipfel zu erklimmen und Spuren in die weißen Hänge zu zeichnen. Somit ist es angebracht, einen Blick auf eine Studie zum Skitourenpotential in Tirol zu werfen, über welche die Medien unlängst berichtet haben. Sie entstand im Auftrag der Tirol Werbung am MCI Tourismus mit dem Ziel, Grundlagen für mögliche Produkt- und Angebotsentwicklungen zum Skitourenlauf aufzuzeigen.

Die umfassende Arbeit informiert über Struktur, Verhalten und Bedürfnisse der Skitourenläuferinnen und Skitourenläufer und liefert Hinweise zu wirtschaftlichen Effekten des Skitourenlaufs. Sie differenziert zwischen Skitourenlauf im Gelände und auf Skipisten, zwischen Übernachtungs- und Tagesgästen sowie zwischen Skitourenläufern aus Tirol (Einheimische) und von außerhalb.

Mehr Skitourenlauf – mehr ökologische Konflikte?

Nach detaillierten Analysen und Berechnungen kommt das Autorenteam zu folgender Schlussfolgerung: „Forcierte Produktentwicklung und entsprechende touristische Vermarktung des Skitourengehens im freien Gelände in Tirol kann nicht nur zu weiteren ökologischen Konflikten führen, sondern würde auch das individuelle Erlebnis Skitour entscheidend beeinträchtigen. Die natürlichen Angebotsfaktoren (Schönheit der Landschaft, Schneesicherheit) sind zudem als wesentliche Erfolgsfaktoren nicht beeinflussbar. Tagestouristisches Potential bietet allenfalls das Skitourengehen auf der Piste als gelenktes Zusatzangebot in Skigebieten.“

Am Plafond angelangt?

Im Grunde genommen bedeutet das, dass in Tirol dem Skitourenlauf als touristisches Produkt kein Entwicklungspotential zugesprochen wird. Das ist insoweit nachzuvollziehen, als dass sich der Skitourenlauf im Gelände aus den verschiedensten Gründen nicht dazu aufdrängt, ein über ganz Tirol gespanntes Produkt zu kreieren. Sehr wohl aber sind die Bereitstellung und Weiterentwicklung entsprechender Angebote auf regionaler, kleinregionaler, lokaler und betrieblicher Ebene möglich, was erfolgreiche Beispiele hinreichend belegen.

Skitourenläufer zeigen Verständnis für Natur und Umwelt

Ich wage zu bezweifeln, dass die befürchteten ökologischen Konflikte oder die Gefährdung des individuellen Erlebnisses Skitour (Crowding-Effekt) zwingend als einschränkende Faktoren bei der Produktentwicklung für den Skitourenlauf im Gelände anzusehen sind. Denn zum einen entwickeln Skitourenläufer im Gelände immer mehr Verständnis für ökologische Belange und zum anderen akzeptieren sie Lenkungsmaßnahmen zur Schonung der Wildtiere. Darüber hinaus wissen alle, die eine tolle Skitour bei idealen Verhältnissen antreten, dass sie nicht alleine unterwegs sind. Vom offenbar so gefürchteten Crowding-Effekt lassen sie sich jedenfalls nicht beirren.

(Kleiner Exkurs: Die ökologisch orientierte Argumentation ist auch aus einem ganz anderen Grund nicht ohne: Denn wenn schon mehr Skitourengeher zu ökologischen Konflikten führen können, wie sieht das dann erst bei der Erweiterung von Skigebieten oder beim Bau von Skigebietsverbindungen aus?)

Feingliedrige räumliche Verteilung der Tagesausgaben

Einige Anmerkungen zu den ökonomischen Effekten: Die Studie listet Tagesausgaben mit einem hohen Grad an Detailliertheit auf, bietet aber keine Gesamtrechnung und keine abschließende Bewertung der ökonomischen Komponente. Die ermittelten Tagesausgaben (ohne Anreise, Nächtigung, Bergführer) der Skitourenläufer betragen im Schnitt € 37,- bei Urlaubern und € 13,- bei Tagesgästen. Ihre Gegenüberstellung mit den gängigen Angaben für Urlauberausgaben mag den Eindruck erwecken, dass beim Skitourenlauf wirtschaftlich nicht viel zu holen ist.

Nun, die vergleichsweise geringen Tagesausgaben hängen meiner Erfahrung nach auch damit zusammen, dass das kulinarische Angebot auf Hütten, Almen und kleinen Berggasthöfen meist auf eine überschaubare Zahl von (kleinen) Speisen beschränkt ist. Für den Konsumenten schlägt sich das in kleineren Preisen nieder – bei geringerem Wareneinsatz und Mengeneffekten für den Anbieter. Zudem steht beim Skitourenlauf die sportliche und gesundheitliche Komponente im Vordergrund und nicht die kulinarische Reise durch mehrgängiger Menüs. Wichtig ist auch, dass beim Skitourenlauf im Gelände das Geld vielfach dort ausgegeben wird, wo die großen Touristenströme nicht hinfinden.

Skitourenläufer – eine mehrfach interessante Zielgruppe

Bei der Bewertung der Tagesausgaben ist ferner zu berücksichtigen, dass Skitourenläufer ihre in der Regel sehr teure Ausrüstung selbst mitbringen, wodurch vor Ort keine Leihgebühren anfallen. Auch kommen sie nicht nur einmal ins Land, sondern sie unternehmen, wie die Studie zeigt, zahlreiche Skitouren pro Winter. (Im Übrigen schwärmt der Sporthandel landauf landab von den Wachstumsraten beim Skitourenlauf und den dabei zu erzielenden Umsätzen.)

Bei der Frage nach den wirtschaftlichen Effekten des Skitourenlaufs darf auch die in der Studie belegte sozioökonomische Struktur der Skitourenläufer nicht außer Acht gelassen werden. Die Akademikerquote liegt bei allen ausgewiesenen Gruppen bei 60 % oder darüber und nahezu die Hälfte der Befragten ist den beiden höchsten ausgewiesenen Einkommensgruppen zuzuordnen.

Skitourenläufer, für die meiner Einschätzung nach noch genügend Platz in Tirol ist, sind somit eine interessante Gästeschichte. Bei anderen Anlässen können sie andere Motive zu einem Tirol-Aufenthalt bewegen, was sich dann auch in einem geänderten Ausgabeverhalten niederschlägt.

15. April 2019, 10:53

Lieber Peter Haimayer,
zu diesem ausgewogenen, relativierenden Kommentar möchte ich meine vollinhaltliche Zustimmung ausdrücken.
Sie beweisen, dass die Grundlagenforschung (noch) lebt!

16. April 2019, 12:04

Sehr geehrter Peter Haimayer, lieber Peter Zellmann,

Ja, die Grundlagenforschung ist wichtig! Aber angesichts des drohenden Zusammenbruchs der Ökosysteme müssen wir dieselbe sehr pointiert betreiben.

Ich habe dazu ja schon mehrmals geschrieben. Daher nur so viel: Es geht u.a. um den ökologischen und CO2 Fußabdruck des Tourismus! Das übergeordnete Plan T Ziel verpflichtet (!) jeden einzelne/n von uns dazu, diese beiden Faktoren ab sofort mitzudenken und mitzuplanen.

Auch der Schitourenlauf muß daher aus einer ganzheitlichen Perspektive betrachtet werden, inklusive Anreise, Abreise etc. Die Angelegenheit läßt sich leider nicht auf die Frage reduzieren, ob Schitourenläuder/innen mitttlerweile Verständnis für Umwelt und Natur zeigen. Siehe dazu meinen letzten Artikel.

Datenmäßig ist das naturgemäß ein gewisser Aufwand. Den wir aber betreiben müssen! Ohne den werden wir nie zur nachhaltigsten Tourismusdestination der Welt! Deshalb stimme ich ins Hoch auf die Grundlagenforschung gerne mit ein! Aber – bitte – aus einer enkeltauglichen Perspektive!

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