29. November 2019 | 11:57 | Kategorie:
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Tourismusdiskurs – Wir sollten etwas lernen!

Franz Hartl hat in seinem jüngsten Beitrag auf Defizite bei der Kommunikation von touristischen Projekten hingewiesen. In die gleiche Kerbe schlägt der Bürgermeister einer hochentwickelten Tourismusgemeinde, wenn er der Tourismuswirtschaft kommunikative Hilflosigkeit attestiert. Auch wenn Fragen in diese Richtung im TP-Blog schon mehrfach berührt wurden, möchte ich, nicht zuletzt aufgrund aktueller Beobachtungen, einige Überlegungen einbringen. Dabei gilt die Aufmerksamkeit beiden Seiten, den Betreibern von Tourismusprojekten ebenso wie den Kritikern der Projekte.

Herausforderndes gesellschaftliches Umfeld

Dass es zunehmend schwieriger wird, in touristisch hoch entwickelten Regionen große Infrastrukturprojekte umzusetzen, ist unbestritten. Die Gründe dafür sind vielschichtig. Geänderte Werthaltungen in der Gesellschaft und die Hellhörigkeit vieler Menschen spielen eine wesentliche Rolle.

Hier knüpft meine zentrale These an: Der Tourismuswirtschaft ist es noch nicht in ausreichendem Maße gelungen, sich gegenüber herkömmlichen Denkmustern und dem davon abgeleiteten Kommunikationsverhalten zu emanzipieren. Das ist aber unverzichtbar, will man der Kritik glaubwürdig begegnen und mit den Kritikern in einen konstruktiven Dialog eintreten.

Die Kritiker des alpinen Tourismus sind nämlich wachsam und gut organisiert, sie arbeiten professionell und sie sind bemüht, formale und inhaltliche Fehler zu vermeiden. Sie sind von ihrer Sache überzeugt und sie verfügen über die notwendige Hartnäckigkeit. Die digitale Welt erlaubt es ihnen, ihre Ideen und Anliegen in kürzester Zeit breit zu streuen. Und dank ihrer Erfahrung und ihres Wissens lassen sie sich kein X für ein U vormachen.

Verbesserungspotenzial in der Projektkommunikation

Im Folgenden einige Beispiele, die erahnen lassen, warum eine in Sachen Umwelt- und Sozialverträglichkeit ohnehin schon sensibilisierte Öffentlichkeit mit ihrer Kritik und ihrem Widerstand nicht mehr hinter dem Berg hält.

  • Ehrliche Kommunikation: Es ist absolut kontraproduktiv, Kritikern weiszumachen, dass es für ein kolportiertes Projekt noch keine Planungen gibt, kurz darauf aber ein fertiges Projekt bei der Behörde einzureichen.
  • Rechtzeitige Kommunikation: Es ist ungeschickt, den Kontakt mit den Kritikern erst dann zu suchen, wenn eine Petition eine – vorher nicht erwartete – Zahl an Unterschriften erreicht hat und die Wogen des Protests bereits überschwappen.
  • Widerspruchsfreie Kommunikation: Auf der einen Seite werden die hohen Arbeitslosenquoten und die vielen Auspendler als Argumente für ein Großprojekt ins Treffen geführt. Auf der anderen Seite stehen die Aussagen von Unternehmern im Raum, wonach aktuell nicht einmal die Hälfte der Mitarbeitenden aus der Region rekrutiert werden kann.
  • Glaubwürdige Kommunikation: Wirtschaftlichkeitsberechnungen sind bei Großprojekten eine Selbstverständlichkeit. Ob es aber der Glaubwürdigkeit dient, wenn bei Investitionssummen in dreistelliger Millionenhöhe die zu erwartende Wertschöpfung und die Steuereinnahmen bis hinter das Komma und die Zahl der Arbeitsplätze bis auf die Einerstelle genau publiziert werden, sei dahingestellt.
  • Nachvollziehbare Kommunikation: Eine alte Volksweisheit besagt, dass es nicht tunlich ist, Äpfel mit Birnen zu vergleichen. Das gilt auch für statistische Daten, sowohl was Bezugsjahre und Zeitreihen anbelangt als auch was die zugrunde liegenden Raumeinheiten betrifft. Fachlich-statistisch korrekte Vergleiche würden nämlich so manches Pro-Argument mit einem Fragezeichen versehen oder sogar ad absurdum führen.
  • Vollständige Kommunikation: Wichtige Informationen zum Verständnis eines Gesamtprojekts werden nicht oder nur in unzureichendem Maße bekanntgegeben (z.B. Erläuterung zu notwendigen Folgeinvestitionen, Visualisierungen für unterschiedliche Jahreszeiten).
  • Transparente Kommunikation: Es wird darauf verwiesen, dass es notwendig und wünschenswert ist, dass die Großen die Kleinen unterstützen. Bei näherem Hinsehen wird jedoch ersichtlich, dass die Unterstützung darin besteht, dass der „Kleine“ 95 % des Investitionsvolumens aufbringt.

Derartiges Kommunikationsverhalten führt bei Projektkritikern nicht nur zu zusätzlicher Skepsis, sondern es veranlasst sie, noch genauer hinzuschauen, eigene Nachforschungen anzustellen und den Dingen bis auf den Grund zu gehen.

Noch etwas Grundsätzliches

Besorgte Aussagen von externen Kritikern dürfen nicht einfach als populistisches Geschwätz und Angstmache abgetan werden, zumal nicht wenige von ihnen über ausgewiesene Fachkompetenz verfügen. Es wäre kontraproduktiv, würden Externe den Mund halten müssen, wenn es um die Weiterentwicklung von Tourismusregionen im alpinen Raum geht. Selbstverständlich sollen und müssen sich die Bewohner von Berggemeinden eigene Gedanken über die Entwicklung ihrer Destination machen und sie sollen die Weiterentwicklung vor allem auch selbst in die Hand nehmen. Ergänzend dazu ist jedoch der Diskurs mit Externen ein Zeichen für verantwortungsvolles Handeln. Das gilt insbesondere für Projekte, deren Auswirkungen z.T. weit über den eigentlichen Standort hinaus ausstrahlen.

Wenn daher Andreas Braun, der verdienstvolle Tiroler Touristiker, meint „Es ist an der Zeit, die ortsansässige Intelligenz zu respektieren und die moralische Arroganz der Insassen geschützter Werkstätten zu ignorieren. Konkrete Expertise von unten, gestützt auf ökosozialen Hausverstand und Heimatliebe, übertrifft eine in Teilwissen zersplitterte Expertise von oben bei Weiten.“ so ist dem entschieden entgegenzuhalten: Es ist dazu nicht an der Zeit, sondern die Zeit dafür ist vorbei!

2. Dezember 2019, 11:44

Um das Gesagte auch in anderen Worten auszudrücken: Die Entscheidungen über Investitionen in sensiblen Räumen dürfen nicht nur unter dem Aspekt der Weiterentwicklung des Ski- oder Tourismusangebotes der angrenzenden Talschaft gesehen werden. Diese ist ein Aspekt aber eine überregionale Brille kann keineswegs schaden und neue Aspekte ins Treffen führen. Diese Diskussion aber von vornherein mit dem Argument abzudrehen, dass Meinungen von außerhalb von vornherein kein Gewicht hätten – das geht gar nicht und wird sich auf die Dauer rächen.

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