19. November 2017 | 15:12 | Kategorie:
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Wir sind nicht allein

Wir Menschen neigen dazu, unser eigenes kleines Süppchen dahinzukochen. Und vergessen dabei, dass noch viele Töpfe auf dem Herd stehen. In unseren Social Media Kanälen kann man das sehr gut beobachten: Wir befreunden uns mit Gleichgesinnten und entfreunden uns von Andersdenkenden. Was dazu führt, dass wir unsere eigene Meinung nicht mehr so genau hinterfragen müssen. Das ist ein bisschen dumm.

Im Tourismus würde ich das als “betriebsblind” bezeichnen. Wer immer mit denselben Leuten über dieselben Themen redet, lernt nichts dazu und wird immer nur in seiner eigenen Meinung/Tätigkeit bestätigt. Auch wenn dieser Weg in eine Sackgasse führt.

Ich bin ja ein Mensch, den alles interessiert, und der gerne Brücken schlägt. Aus diesem Grund habe ich mich vor Kurzem auf die Photo+Adventure in Wien und die “Alles für den Gast” in Salzburg begeben. Zugegeben, die beiden Messen sind nicht wirklich weit entfernt vom Tourismus. Gerade deshalb ist es aber erstaunlich, dass die Aussteller wenig emotionale Verbindung zu unserer Branche haben. In den meisten Fällen gibt es nur eine Auftragnehmer-Auftraggeber Konstellation. Das ist viel zu wenig, wie ich finde.

Auf der Photo+Adventure, die übrigens für alle, die gerne mal abseits vom Handy ordentliche Bilder machen wollen, ein absolutes Muss ist, habe ich mit ein paar Vertretern von Kameraherstellern gesprochen. Der Fotomarkt hat sich ja radikal geändert. Mit der Digitalisierung und den Smartphones sind zwei Entwicklungen fast zeitgleich passiert, die den Kameramarkt komplett durchgerüttelt haben.

Photo + Adventure - Foto: Arthur Kofler

Photo + Adventure – Foto: Arthur Kofler

Stellvertretend für viele möchte ich Sabrina Lucia Rachor von Canon erwähnen, die diese Entwicklung als große Chance sieht. Dabei spielt nicht einmal die Kamera selbst die Hauptrolle, sondern der Zugang zur Community und die Verbindung von Offline mit Online. Mit welchem Gerät die Fotos fotografiert werden, ist fast schon Nebensache.

Wenn das Foto einmal geschossen ist, sollte damit ja auch etwas passieren. Nur am Handy gespeichert, sind die Erinnerungen ja schnell wieder weg. Fotoalben sind allerdings nicht mehr zeitgemäß und statt der alten Alben boomen ja immer mehr Fotobücher. Wo also ein Produkt wegfällt, entstehen Neue. Das war schon immer so.

Was ich sehr spannend fand, war, dass so gut wie niemand den Tourismus als potenziellen und bedeutsamen Kooperationspartner sieht. Dabei gibt es wohl keine größere und angenehmere Community als Reisende, die sich wohlfühlen. Man betrachte einfach mal, wie viele Urlaubsfotos auf Facebook gepostet werden.

Auf der “Alles für den Gast” in Salzburg habe ich mich vor allem unter die F & B (Food & Beverage) Leute gemischt. Auch hier weiß ich natürlich, dass das nicht wirklich weit weg vom Tourismus ist. Auf der Gastmesse geht es aber vor allem um Gastronomie, Tourismus ist eher ein Randthema. Und seien wir uns ehrlich, Tourismus ohne Gastronomie funktioniert einfach nicht, aber Gastronomie funktioniert auch ganz gut ohne Tourismus.

Jedoch auch hier dasselbe Bild: Kooperationen werden nicht angestrebt, aber auch nicht abgelehnt, sie passieren einfach.

Von der Gastmesse werde ich ein paar Interviews nachreichen. Ich finde die Entwicklungen, die sich in der Gastronomie abspielen und ausnahmsweise mal nichts mit Digitalisierung zu tun haben, äußerst spannend. Dabei werde ich vor allem auf das leidige Personalthema eingehen. Denn das ist für mich das größte Problem, das gelöst werden muss – sowohl im Tourismus als auch auch in der Gastronomie.

Ich bin sicher: Wenn wir allen Branchen, die mit dem Tourismus geschäftlich verbunden sind, bewusst machen, dass die Personalproblematik kein branchenspezifisches Problem, sondern eine gesellschaftliche Aufgabe ist, dann können wir die Herausforderung meistern und es lösen sich auch viele andere Probleme, nicht nur im Tourismus.

Wahrscheinlich meinen jetzt ein paar, dass ich den Tourismus zu wichtig nehme. Dazu kann ich nur sagen: Nein.

20. November 2017, 9:33

Ich bin interessiert an Ihren nächsten Schritten – würde gerne darüber per mail informiert werden – vielleicht gibt es Veranstaltungen, oder Aktionen, an denen ich mich (wir uns) beteiligen möchten bzw. können (Zeitfaktor Hotelbetreiber…)

Danke !

Schneeige Grüße aus dem schönen Ellmau am Wilden Kaiser Tirol

20. November 2017, 12:56

Liebe Ingrid Hochfilzer, das mache ich sehr gerne. Schicken Sie mir einfach Ihre Kontaktdaten, dann gebe ich Ihnen Bescheid, sobald sich was bewegt: martin.benkovics@crosspromotion.at

29. November 2017, 12:15

Hallo Herr Benkovics,

Genau über diese zwei Bereiche bin ich auch in den letzten Wochen gestoßen. Einerseits hörte ich eine Geschichte von einem NY Restaurant, wo der Besitzer dem Koch folgende Frage bei jedem einzelnen Gericht mit auf den Weg gab: „Is it instagrammable?“ Schnell wurden alle Gerichte gestylt und wenn ein Gericht von den Gästen nicht sofort fotografiert wurde, fasste es der Gastgeber als Beleidigung auf. Die Macht von Instagram wird auch die österreichische Gastronomie treffen. Einige haben es schon erkannt, aber die Frage „Instagrammable or not“ wird die nächsten Jahre bleiben. Nicht nur in der Gastronomie, auch in Hotels, bei Sehenswürdigkeiten – wird es mehr brauchen, als den perfekten Selfie-Spot.

Parallel dazu habe ich einen hervorragenden Artikel in der Zeit gefunden: „Post-Tourismus: Ist die von hier?“ http://www.zeit.de/entdecken/reisen/2017-10/post-tourismus-staedtereise-gentrifizierung/seite-2. Zusammengefasst geht es darum, dass sich die Grenze zwischen Einheimischen und Touristen auflöst, denn beide Gruppen verhalten sich gleich und man kann nicht mehr erkennen, wer von hier und wer auf Besuch ist. Beide fotografieren und teilen ihre Eindrücke online. John Urry hat es auf den Punkt gebracht: „Tourismus ist alles und alles ist Tourismus.“ Diese Kleinigkeit ändert allerdings alles, denn der Wissensvorsprung der Einheimischen schwindet. Der Besucher aus Übersee weiß dank Social Media besser Bescheid, was es Neues gibt in der Stadt, als einer, der dort lebt. Post-Tourismus eben.

Liebe Grüße,
Barbara Guger

6. Dezember 2017, 13:59

Hallo Frau Guger,

vielen Dank für den Link zu dem außerordentlich interessanten Artikel. Ehrlich gesagt, habe ich das Verwischen der Grenzen zwischen Touristen und Einheimischen noch nicht bewusst für mich wahrgenommen/berücksichtigt. Es scheint aber absolut logisch, nachvollziehbar und auch richtig zu sein.

Sehr spannende Möglichkeiten!

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