3. August 2022 | 10:00 | Kategorie:
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Energiekrise: Replik auf „Wird es bald finster …?“

In der Krone Bunt vom vergangenen Sonntag schreiben Gregor Brandl und Katharina Pirker, dass die Gaskrise nicht nur von Industrie und Haushalten Verzicht fordere: „Experten haben wahre Stromfresser ausgemacht. Brauchen wir wirklich Leuchtreklame, Heizschwammerln, Schneekanonen & Weihnachtsbeleuchtung?“. Dies vor dem Hintergrund, dass Erdgas in Österreich für 15 % der Stromerzeugung unerlässlich sei.

Thema von höchster Bedeutung

Angesichts einer drohenden Energieknappheit werden wir als Gesellschaft möglichst bedacht und solidarisch Prioritäten setzen müssen. Denn wenn die Energieministerin Lenkungsmaßnahmen zur Sicherung der Energieversorgung verordnen muss, dann hat das jedenfalls weitreichende Konsequenzen für die unmittelbar betroffenen Branchen, deren Wertschöpfung und Beschäftigung, letztlich unsere Resilienz als Republik Österreich.

Die Krone Bunt ist der größte Printtitel des Landes, erreicht 30 % aller Österreicher*innen. Ein Artikel zum Thema von Einsparungsmöglichkeiten beim Energieverbrauch ist bei so einer breiten Leserschaft meinungsbildend. Ein Statement wie die Leuchtreklame sei „nach den Liften unter den gefräßigsten Verbrauchern“ bleibt hängen.

In dieser Energiekrise ist nichts sakrosankt, kann und muss alles diskutiert werden — auch die journalistisch zugespitzte Frage, ob wir unbedingt „halb Österreich künstlich beschneien“ müssen. Und damit, ob in der kommenden Wintersaison (volks)wirtschaftlich relevanter Schneesport stattfinden kann oder nicht.

„Schneekanonen brauchen den Jahresbedarf von Innsbruck und mehr“

Wenn „Skilifte & Gondeln“ mit einem Gesamtverbrauch von 550 Gigawattstunden (GWh) und „Schneekanonen“ mit 250 GWh pro Jahr plakativ mit Haushalten verglichen werden, dann wird wohl eine mögliche Unterversorgung zugunsten des Skitourismus suggeriert. Die Krone Bunt schreibt auch, es könne „wie in den Lockdowns enden: Ganz Österreich steht still, aber die Lifte sind in Betrieb“.

Für die Einordnung der von der Krone Bunt genannten „Energiefresser“ wäre der Stromverbrauch in Österreich insgesamt zu nennen: In den letzten Jahren waren das mehr als 60 Terawattstunden (TWh), das sind 60.000 Gigawattstunden. Die dem Skitourismus (im engeren Sinn, also ohne einschlägige Hotellerie, Gastronomie, Dienstleister etc.) zugerechneten 800 GWh würden nach Rechnung der Krone Bunt ca. 200.000 (von mehr als vier Millionen) privaten Haushalten entsprechen.

Um die Sachfrage differenzierter zu diskutieren, müsste z.B. auch untersucht werden, ob die Beschneiung überhaupt zu „Spitzen bei der Leistungsnachfrage“ beiträgt, wenn diese hauptsächlich in den Nachtstunden erfolgt.

Transformation wird beschleunigt

Ob der Tourismus in einem Krisenwinter tatsächlich Urlauber und Milliardenumsätze bringt, bleibt nur zu hoffen.“ Diese Skepsis der Krone Bunt ist berechtigt, der Skitourismus wird 2022/2023 regional- und volkswirtschaftlich wahrscheinlich nicht so erfolgreich sein können wie das speziell vor der Pandemie der Fall war. Da spielen wie hier am TP-Blog bereits andiskutiert mehrere Faktoren eine Rolle, nicht zuletzt gestiegene Energiepreise.

Skigebiete werden ihr Geschäft jedenfalls schon heuer sehr stark anpassen müssen. Bisher ist die Wissenschaft (siehe „Österreichischer Special Report Tourismus und Klimawandel“, Seite 112) davon ausgegangen, es werde „vermutlich auch Ende des 21. Jahrhunderts bei entsprechender Ausstattung mit Beschneiungsanlagen noch schneesichere Skigebiete geben. Dies ist jedoch mit einem deutlich höheren Beschneiungsaufwand, d. h. einem höheren Ressourcenbedarf und damit höheren Preisen verbunden.“ Es könnte „in weiterer Folge zu einer stärkeren Konzentration und Marktbereinigung“ kommen, auch die Nachfragerseite sei zu beachten: „Gäste haben grundsätzlich eine hohe Anpassungsfähigkeit, sowohl räumlich (Wahl eines anderen Skigebiets), zeitlich (Skifahren nur in Saisonzeiten mit ausreichend Schnee) und hinsichtlich der Aktivitäten (andere Aktivität statt Skifahren).“

Die in niedrigeren Lagen wie in Niederösterreich seit geraumer Zeit notwendige Entwicklung (z.B. ganzjähriger Betrieb der Seilbahn- und Freizeitinfrastruktur, strategische Verkleinerung und Aufwertung der beschneiten Pistenfläche) wird wahrscheinlich noch mehr zu einem allgemeinen Trend. Wie der Glaziologe und Klimaforscher Georg Kaser in einem Der Standard-Interview zum „Schnee von morgen“ treffend festgestellt hat, ist jetzt in der Weiterentwicklung und Neuerfindung des Geschäftsmodells wieder jene Kreativität gefragt, die den Bergtourismus aufgebaut hat.

Stromverbrauch in Österreich © Oesterreichs Energie

5. August 2022, 20:13

Es wird nicht finster, auch wenn der Boulevard die Frage noch so provokant stellen mag! Dazu sind Freizeit und Tourismus zu sehr mit anderen Interessenbereichen verzahnt und schon längst ein Grundbedürfnis der Menschen in unseren Breiten. Vor diesem Hintergrund einige Gedanken bzw. Beobachtungen zu Punkten, die Markus Redl anspricht.

Die Niederösterreichischen Bergbahnen sind ohne Zweifel ein gutes Beispiel für den Entwicklungsgang hin zum Ganzjahrestourismus. Vergleichbares geschieht seit Jahren auch in höheren Lagen, auch wenn dort Topografie und Klima (und zwar völlig unabhängig vom Klimawandel) einem ganzjährigen Betrieb mitunter enge Grenzen setzen. Doch dort, wo die Verhältnisse passen und wo gezielt darauf hingearbeitet wird, gelingt der Weg zum Ganzjahrestourismus (z.B. Region Wilder Kaiser).

Die Seilbahnunternehmen sind parallel zu ihrem Drang nach quantitativer Erweiterung seit Jahren bemüht, energetisch effizienter zu wirtschaften. Das geschieht zum einen aus Kostengründen und zum anderen sind damit auch ökologische Überlegungen (z.B. Imagefaktor) verbunden. Auch ist davon auszugehen, dass der Energieverbrauch für Aufstiegsanlagen, Skipisten und sonstige Betriebsstätten dank laufend verbesserter Techniken weiter reduziert werden kann. Allerdings ist nicht zu übersehen, dass diese Einsparungen durch Leistungs- und Komfortsteigerungen wieder aufgehoben werden, sei es in Teilen oder zur Gänze.

Was die Kreativität für neue Geschäftsmodelle zur Weiterentwicklung des Bergtourismus betrifft, so greift „jene Kreativität …, die den Bergtourismus aufgebaut hat“ vermutlich zu kurz. Bei der Erkundung neuer Wege ist es unerlässlich, ums Eck zu denken, Bisheriges in Frage zu stellen und sich vom bloßen quantitativen Wachstumsdenken zu verabschieden – auch von jenem, das mit der Qualitätsmasche verbrämt wird.

Auch kleine, naturorientierte Destinationen bzw. Örtlichkeiten leben offensichtlich gut, aber eben mit weniger Betrieben, weniger Betten, weniger Rundum-Angebot und weniger Mitarbeitern. Solche Reduktionen mögen oft vom Standort vorgegeben sein, nicht selten beruhen sie aber auf einem bewussten Verzicht. Und sie belegen, dass auch damit ein gutes Auslangen möglich ist.

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