11. Juli 2021 | 14:51 | Kategorie:
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Auf geht’s! zum Arbeiten in die Berge?

Die „Modernisierung des touristischen Arbeitsmarktes“ steht ganz oben auf der Agenda des seitens des Tourismusministeriums in einem mehrmonatigen Prozess koordinierten und am 8. Juli live in Wien und per Stream präsentierten Comeback-Planes. Denn natürlich haben manche in der Tourismus- und Freizeitwirtschaft Beschäftigte – trotz grundsätzlich erfolgreicher Maßnahmen wie der Kurzarbeit – krisenbedingt die Branche gewechselt, natürlich wurden weniger Lehrlinge aufgenommen und natürlich leiden die Tourismusschulen unter deutlich weniger Anmeldungen; allesamt Hiobsbotschaften vor dem Hintergrund, dass bereits vor der Pandemie viele Betriebe händeringend auf der Suche nach (Fach-)Personal waren.

Im Dezember 2020 hatte der Rechnungshof aufgrund des latent ungestillten Bedarfs an Fachkräften im Tourismus die hauptzuständigen Ressorts (Bundesministerium für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus sowie Bundesministerium für Arbeit, Familie und Jugend) zur Zusammenarbeit und zum Ergreifen spezifischer Maßnahmen aufgefordert — genau das haben jetzt Bundesministerin Elisabeth Köstinger und Bundesminister Martin Kocher angekündigt.

Im Grunde haben wir es mit einem doppelten Paradoxon zu tun:

Einerseits sind nach wie vor einschlägig qualifizierte Personen arbeitslos gemeldet, obwohl ihre Arbeitskraft andernorts total gefragt wäre. Grob vereinfacht mangelt es an der Bereitschaft, seinen Lebensmittelpunkt von der Stadt aufs Land, vom Osten in den Westen zu verlagern. Sicherlich einfacher gesagt als getan, das Arbeitsmarktservice arbeitet dennoch seit längerem an dem Problem, zumal es gerade auch für alpine Destinationen eng wird. In Episode 9 des Podcasts „Pistenkilometer“ sagt Tourismusberater und Seilbahnexperte Arnold Oberacher im Gespräch mit Ihrem Autor, dass es „im Moment leichter ist Geld oder Gäste als Mitarbeiter zu kriegen“.

Andererseits spricht Oberacher auch davon, dass Skigebiete strukturell ja eher in „Ungunstlagen“ liegen, mit überschaubaren wirtschaftlichen Alternativen zum Tourismus, der genau aus diesem Grund in der alpinen Peripherie für Wertschöpfung sorgen und damit Beschäftigung sichern soll. Und dann herrscht aber in bergtouristisch geprägten Bezirken Fachkräftemangel und Vollbeschäftigung.

Allein mit Kost und Logis sowie einem guten Trinkgeld ist es sicher nicht getan, wenn es auch um Beschäftigungsmöglichkeiten für Partner*innen, Kinderbetreuung oder Ausbildungsmöglichkeiten geht. Also genau jene Faktoren, die den enormen Zuzug in die Städte ausmachen. Die Planungsgemeinschaft Ost hat in ihrer Studie „SRO_peripher Süd“ einst empfohlen, sich in der regionalen Entwicklung auf sogenannte Kristallisationskerne zu konzentrieren, um die Abwanderung in diesem Fall noch vor dem Großraum Wien abzufangen: Das wären z.B. Bezirkshauptstädte mit einem entsprechenden Bildungsangebot. Wobei: Tourismusadäquate Kinderbetreuung sollte sich in überbetrieblicher Kooperation vielleicht auch näher zum Arbeitsplatz organisieren lassen.

13. Juli 2021, 10:01

Danke für diesen interessanten Beitrag: es ist essentiell, dass wir das Thema immer wieder von verschiedensten Seiten und Ebenen aufgreifen und nicht ruhen, bis Lösungen für diese Herausforderung gefunden sind.

Ich hatte zu der Thematik letzte Woche ein einschneidendes privates Erlebnis das ich hier gerne mit euch teilen möchte:
nach einem einwöchigen Italienurlaub eröffnete mir meine 5-jährige Tochter, dass Sie jetzt einen neuen Berufswunsch hat: sie möchte nun doch nicht Prinzessin werden sondern Kellner. Etwas überrascht fragte ich, wie sie denn da jetzt darauf kommt. Sie antwortet: die Kellner in unserem Hotel in Italien waren so freundlich und immer gut drauf, sie waren so hübsch 😉 und schön angezogen und konnten den ganzen Tag mit netten Menschen reden und ihnen Eis bringen – ich glaube, das ist der beste Job der Welt!

Bähm…..da war ich baff und realisierte, dass wir gerade in den alpinen Regionen ein massives Imageproblem mit Dienstleistungsjobs haben. Warum? Warum ist es in Italien (Südtirol ausgenommen) sexy als Kellner zu arbeiten und bei uns nicht? Was müssen wir tun, um dieses Image wieder zu wandeln?

13. Juli 2021, 13:18

Liebe Theresa,
das Thema „Imageproblem“ hatten wir schon zu meiner Tourismusschulzeit vor 25 Jahren. Von meinem Jahrgang, mit anfangs 36 Schülern, sind heute nicht mehr als vier oder fünf im Tourismus geblieben. Die Ursachen sind vielfältig. Aber für jedes Problem gäbe es auch Lösungen. Ich beschäftige mich schon seit Jahren mit der Lösung und habe dazu auch für meine Kunden funktionierende Strategien ausgearbeitet. Was fehlt ist aber der regionale/überregionale Ansatz.
Der Arbeitsmarkt ist kein Kartoffelmarkt (Flassbeck). Menschen haben komplexe Bedürfnisse, Verpflichtungen, Wünsche und Ziele.
Jetzt wird versucht den Tourismus mit Vitalpin, Kaiserschaft, etc. sexy zu machen, aber – verzeih die offenen Worte – mit einer Imagekampagne allein kann man hier keinen Blumentopf gewinnen.
Jetzt müsste die Branche mit ihren Vertretungen Geld in die Hand nehmen, den Kleinkrieg beenden und endlich anfangen zusammen zu arbeiten. Dann ist das Problem bald aus der Welt.
Falls du Interesse hast, kannst du mich gerne kontaktieren. Vielleicht können wir gemeinsam etwas beisteuern…. und auf die Ministerien brauchst du nicht zu warten. Das letzte Strategiepapier von Frau Köstinger hat mir schon alles gesagt.

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