26. April 2010 | 08:33 | Kategorie:
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Der österreichische Patient – (Tourismus)gemeinden

Landauf landab treffe ich auf eine zunehmende Anzahl handlungsunfähiger „Abgangsgemeinden“ bei denen die Einnahmen aus dem ordentlichen Haushalt die Ausgaben nicht mehr decken. Diese Gemeinden werden damit zu „Ausgleichszahlungs-Empfängern“ der übergeordneten Länder. Die Gründe lassen sich auf dabei auf 2 Hauptpunkte reduzieren: überbordende Belastungen für Sozialleistungen und -transfers (z.B. für das Gesundheitswesen) verstärkt durch schwindende Einnahmen aufgrund sinkender Einwohner- und Betriebszahlen. Die aktuelle Wirtschaftskrise ist hier gewissermaßen „nur“ der Tropfen, der das Fass endgültig zum Überlaufen bringt, aber nicht die wirkliche Ursache einer strukturellen Fehlentwicklung. So weit – so bekannt.Bei der aktuellen Diskussion geht jedoch unter, dass gerade der Tourismus einer der Hauptverlierer dieser Entwicklung ist: vor einigen Jahren erfolgte eine – durchaus nachvollziehbare – „Arbeitsteilung“ zwischen Gemeinden und Tourismusverbänden. Infrastrukturerhaltung und -entwicklung wurden an die Gemeinden ausgelagert, die Verbände konzentrierten sich auf die Vermarktung. So weit – so logisch und grundsätzlich wohl auch richtig.

Aber: die aktuelle Entwicklung der Gemeindefinanzen verursacht eine gefährliche Schieflage: für die klammen Gemeinden wird die Erhaltung und Entwicklung touristischer Infrastrukturen zunehmend zur „Ermessensausgabe“. Schlussfolgerung: wenn schon zu wenig Geld da ist für (einheimischen-) und wählerrelevante Ausgaben, wie soll man sich dann auch noch um eine akkurate touristische Infrastruktur kümmern? Das Ergebnis kann vielerorts besichtigt werden: schleichend unattraktiver werdende Infrastrukturen, schlecht oder gar nicht gewartete Loipen, siechende Ortshallenbäder, holprige Radwege etc. Wenn Tourismusverbände die Einhaltung der vereinbarten Arbeitsteilung bei den Gemeinden einmahnen, werden sie „angepumpt“, frei nach dem Motto „dann macht es euch doch (wieder) selber“. Ergebnis: mühsam aufgebaute Marketing- und Vertriebsinitiativen werden wieder zugunsten infrastruktureller Basisarbeit aufgegeben. Der Tourismusverband als Ortsverschönerungsverein wird wieder längst überwunden geglaubte Realität – das Rad um Jahre zurückgedreht.

Was in vielen Gemeinden heute mehr denn je fehlt, ist eine richtige und realistische Einschätzung der Bedeutung eines florierenden Tourismus für das Gemeinwesen: Arbeitsplätze, die nicht – so wie in allen anderen Branchen – abgebaut oder gänzlich abgesiedelt werden können, dadurch gesicherte Kommunalabgaben, regionale Multiplikatorwirkungen auf andere Branchen wie kein anderer Sektor, Lebensraumqualitäts-Sicherung für Einheimische u.v.m. Es muss – gerade in für Gemeinden schwierigen Zeiten – das Bewusstsein offenkundig wieder neu geweckt werden, dass gerade der Tourismus eine der nachhaltigsten Branchen für eine gedeihliche Gemeindeentwicklung darstellt – wenn er wertschöpfungsintensiv und professionell angeboten wird.

Dies setzt die Bereitstellung moderner, intakter und vollständiger Infrastruktur- und Dienstleistungsketten voraus. Der in der Viehwirtschaft längst bekannte unumstössliche Zusammenhang aus „langlebiger, ertragreicher und gesunder Kuh“, „reichlich gesundem Futter“ und „bester Milch- und Fleischqualität zu auskömmlichen Preisen“ darf gerade in schwierigen Zeiten auch als Grundprinzip erfolgreicher Tourismuswirtschaft in den Gemeindestuben nicht in Vergessenheit geraten.

26. April 2010, 8:36

„Ohne eine entsprechende strategische Einbindung finanziell gestärkter Gemeinden kann keine nachhaltige Entwicklung des Tourismus erfolgen“ – so las ich einst im Grundsatzpapier des Tourismusausschusses des Österreichischen Gemeindebundes. Das war 2008. Ich gebe Martin Schumacher vollinhaltlich Recht und dazu weiters folgendes zu bedenken:
– rund um die Verstaatlichung der Österreichischen Kommunalkredit ist es zu massiven Verzögerungen und Beeinträchtigungen von kommunalen Projekten (auch im Tourismus) gekommen;
– im Zuge der „Zwangsfusionierung“ (siehe Modell Tirol) sind mir einige Fälle bekannt, wo Freizeitinfrastrukturen von den Verbänden um einen „symbolischen Euro“ an die Gemeinden zurückgegeben wurden, um diese nicht als Morgengabe in den fusionierten Verband einbringen zu müssen;
– die seit Jahren geforderte regionale Abstimmung und Dimensionierung der Freizeitinfrastrukturen geht viel zu schleppend vor sich; im Zweifel versenkt ein Bürgermeister noch seinen letzten Euro im „siechenden Ortshallenbad“, als dass er einer regionalen Badelösung außerhalb seines Gemeindegebiets zustimmt.

BM Mitterlehner hat im Rahmen der Österreichischen Tourismusstrategie darauf hingewiesen, dass die Bausubstanz in vielen Tourismusgemeinden veraltet ist. Auf diese Erkenntnis müssen Taten folgen, und zwar rasch!

2. Mai 2010, 11:53

Die Aussagen zur Frage des Zustandes und der Finanzierung touristischer Infrastrukturen im Beitrag von Martin Schumacher beruhen auf Beobachtungen, die überall und tagtäglich gemacht werden können. Erkennbar ist aber sehr wohl eine Differenzierung in der Problemwahrnehmung zwischen tourismusintensiven und tourismusextensiven Gemeinden. Auch können und wollen sich Tourismusorganisationen nicht der Verantwortung entziehen, wenn es um die Sicherung und Weiterentwicklung der freizeittouristischen Infrastruktur geht.

Da die finanziellen Mittel nicht unbedingt mehr werden, die Gemeinden eine Fülle nichttouristischer Aufgaben zu erledigen haben und die Tourismusorganisationen am Markt Schlagkraft zeigen müssen, liegt der Schlüssel zur Lösung in der – im TP-Blog schon mehrfach beschworenen – regionalen Zusammenarbeit. Wenn das die Köpfe auf der lokalen und kleinregionalen Ebene – oft wider besseres Wissen – nicht zulassen, ist die Landesebene gefordert einzugreifen und die Entwicklung über die Raumordnung und über Förderungen in die richtige Richtung zu lenken.

Tourismusorganisationen sind sich bewusst, dass Marketing ohne gutes und glaubwürdiges Produkt nicht erfolgreich sein kann. Sie helfen sich daher z.T selbst – so wie auch früher schon, als sich die Gemeinden finanziell noch wesentlich leichter getan haben – und erhöhen ihre Abgaben (Aufenthaltsabgabe und / oder Tourismusbeitrag) zweckgebunden für Modernisierungen und Neuinvestitionen in Infrastrukturprojekte. Da aber die freizeittouristischen Infrastrukturen in hohem Maße auch der einheimischen Bevölkerung zugute kommen und der Tourismus einen wesentlichen Beitrag zur Lebensqualität einer Region leistet, sind die Gemeinden nach wie vor gefordert, sich in angemessener Weise in touristische Infrastrukturprojekte einzubringen.

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