28. Dezember 2020 | 08:00 | Kategorie:
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Zwischenresümee: Kontingentierung funktioniert, große Herausforderungen für stadtnahe Seilbahnen

Nach vier Skitagen kann zu den Weihnachtsferien 2020/2021 nur ein Zwischenresümee gezogen werden: Das Konzept der Kontingentierung, also der zahlenmäßigen Begrenzung der Skigäste bei obligatorischer Online-Buchung, funktioniert dank der Unterstützung durch die Exekutive sowie der Verkehrsredaktionen. Die Seilbahnbetriebe in Niederösterreich und der unmittelbar angrenzenden Steiermark, vielfach im Kartenverbund, haben sich auf diese gemeinsame Strategie verständigt. Unter normalen Umständen kaufen nur wenige Prozent der Gäste ihre Liftkarten online, seit 24. Dezember sind es bei diesen aus den Ballungszentren auch für einen Tagesausflug gut erreichbaren Skigebieten hingegen beinahe 100 %; selbstverständlich gilt auch die Saisonkarte als „gültiges Ticket“. Letzteres ist die medial – auch mithilfe der Niederöstereich-Werbung und der ASFINAG – breit kommunizierte unbedingte Voraussetzung, um auf einen ausschließlich Skigästen vorbehaltenen Parkplatz zu fahren bzw. für den Zutritt in das Skigebiet. Die Buchungsbestätigung gilt als Nachweis bis die Keycards an Ticketautomat oder Kassa abgeholt werden.

Unter Normalbedingungen bedienen die 11 regional relevanten Seilbahnbetriebe in Niederösterreich und unmittelbar angrenzender Steiermark an einem starken Tag kumuliert 31.200 Gäste, diese Skier Days schafft ein einziges großes Skigebiet in Westösterreich. Allerdings treffen auf diese verhältnismäßig kleinen Kapazitäten, angesichts des harten Lockdowns mit Schließung der Hotellerie, eine potentiell große Nachfrage; diametral entgegengesetzte Voraussetzungen also. Aufgrund der Vorgaben in der 3. COVID-19-Schutzmaßnahmenverordnung sind die Kapazitäten natürlich auch im Großraum Wien um mehr als die Hälfte reduziert. Bisher sind jedoch noch gar nicht alle Skigebiete in Betrieb: Stuhleck eröffnet heute Montag, Mariazeller Bürgeralpe morgen Dienstag. Es liegt wenig Naturschnee, daher sind auch noch nicht alle Lifte und Pisten geöffnet, viele Schleppliftbetriebe bereiten sich gerade erst auf den Saisonstart vor.

Entzerrung der Besucherströme

Die Skigebiete versuchen allesamt über eine Ausweitung der täglichen Betriebszeiten Besucherströme zu entzerren. Bei den Hochkar Bergbahnen und den Ötscherliften, für die meisten Gäste bereits mit einer etwas längeren Anreise verbunden, werden im Zweischichtbetrieb (8.00 Uhr bis 12.00 Uhr und 12.00 Uhr bis 16.00 Uhr) Halbtageskarten forciert; bei den „Skibergen an der Mariazellerbahn“ – Annaberger Lifte, Gemeindealpe Mitterbach und Mariazeller Bürgeralpe – wiederum 2- und 4-Stundenkarten, die jederzeit begonnen werden können. Die auf Familien spezialisierte Erlebnisarena St. Corona am Wechsel fährt mit Flutlicht überhaupt einen Dreischichtbetrieb. Die Aufenthaltsdauer ist nicht zuletzt aufgrund der fehlenden Berggastronomie deutlich reduziert. Alle diese Maßnahmen dienen dazu, die Anzahl der gleichzeitig im Skigebiet anwesenden Personen zu reduzieren. Ein ständiger Prozess der Optimierung der Ticketkontingente und der Kartenprodukte hat begonnen.

Die Anforderungen an Betreiber der Seilbahnen – dort speziell an Geschäftsführung und Betriebsleitung – sind hoch: Der Gesundheitsminister gibt in seiner o.a. Verordnung vor, dass „basierend auf einer Risikoanalyse ein dem Stand der Wissenschaft entsprechendes COVID-19-Präventionskonzept zur Minimierung des Infektionsrisikos auszuarbeiten und umzusetzen“ ist. Dieses hat u.a. „Regelungen zur Steuerung der Kundenströme und Regulierung der Anzahl der Kunden“ sowie „Entzerrungsmaßnahmen“ zu enthalten. Die Verordnung sieht keine Genehmigungspflicht des COVID-19-Präventionskonzeptes durch eine Behörde vor, sondern stellt fest: „Der Betreiber hat die Einhaltung dieser Bestimmungen durch geeignete Maßnahmen sicherzustellen.“

Erfahrungen aus der Praxis

Vor diesem rechtlichen Hintergrund wiegen die ersten Erfahrungen zu den Herausforderungen aus der betrieblichen Praxis umso schwerer: Auch wenn es außerhalb der unmittelbaren Sphäre des Skigebietes zum epidemiologisch problematischen „Zusammenströmen größerer Menschenmengen“ kommt, so wie das bei den öffentlich zugänglichen Rodelwiesen am Semmering am Freitag und teilweise am Samstag (also vor der kompletten Sperre durch die Gemeinde) der Fall war, dann färben diese Bilder ab. Vielfach lassen sich verschiedene „Sphären“ aber gar nicht räumlich trennen, sind verschiedene Nutzergruppen vermischt. Das Thema Pistengehen beschäftigt in dieser Hinsicht sicherlich viele stadtnahe Skigebiete.

Bei den Anstellbereichen ist die Situation besonders schwierig, wenn aufgrund der Gegebenheiten vor Ort und/oder an Kreuzungspunkten wenig Platz zur Verfügung steht. Wenn zudem wie gestern am Hochkar – so nicht vorhersehbar – ein Sturm aufzieht und plötzlich ein Großteil der Anlagen eingestellt werden muss, dann versammeln sich natürlich die Gäste bei den dann noch in Betrieb befindlichen Aufstiegshilfen, in deren Anstellbereich die Korridore rasch verlängert werden müssen. Es ist derzeit ein ständiges Lernen wie der Skibetrieb während einer Pandemie bestmöglich organisiert werden kann. Die (überwiegend positiven) Erfahrungen der Seilbahnen aus der Sommersaison 2020 sind hilfreich, aber der Winterbetrieb ist erwartungsgemäß doch weitaus komplexer.

Akkordiertes Vorgehen in Niederösterreich

In Niederösterreich verantwortet die landeseigene Bergbahnen – Beteiligungsgesellschaft (und damit der Autor) unter der Projektleitung von Isabella Hinterleitner ab Mai 2020 die Taskforce „Sicher rausgehen in Niederösterreich“, hat seitdem zahlreiche Ausflugsziele sowie kommunale Sport- und Freizeitbetriebe bei deren COVID-19-Prävention unterstützt. Die Website www.sicher-rausgehen.at gibt einen Einblick zu den Serviceleistungen und Unterlagen. Ein Ausfluss dieser sommerlichen Arbeit im Netzwerk des Wirtschafts- und Tourismusressorts sind beispielsweise die Progressive Web App www.winternavi.at oder die Nutzung von Mobilfunkbewegungsdaten. Die Taskforce hat gemeinsam mit der Fachvertretung Seilbahnen in der Wirtschaftskammer Niederösterreich den Schulterschluss der Branche in Niederösterreich (siehe dazu www.sicher-skifahren.at) tatkräftig unterstützt. Die COVID-19-Präventionskonzepte wurden jeweils vor Ort von allen relevanten Betrieben gemeinsam ausgearbeitet (nicht nur Lift, sondern auch Skischule, Skiverleih, Berggastronomie etc.), wobei die Partner der Seilbahn derzeit ja noch nicht oder nur sehr eingeschränkt tätig werden dürfen. Die Skigebiete sind und bleiben natürlich rechtlich gesehen unabhängig, stehen zueinander auch in Konkurrenz, arbeiten aber – angesichts der besonderen Umstände – eng vernetzt zusammen.

28. Dezember 2020, 16:52

Markus Redl liefert mit seinem Zwischenresümee wertvolle Informationen über die Erfahrungen, die in den ersten Tagen der neuen Skisaison gemacht wurden. Dabei wird einmal mehr deutlich, dass die Seilbahnen und Skigebiete hinsichtlich der Corona bedingten Sicherheitsmaßnahmen gut aufgestellt sind.

Die Seilbahnbetreiber haben professionell, rasch und flexibel sowie in gegenseitiger Abstimmung agiert: Sei es bei der Vorbereitung der Saison, sei es in den Tagen unmittelbar vor der Öffnung der Skigebiete oder sei es in Bezug auf die in der Startphase aufgetretenen Probleme. Die Erfahrungen der ersten Skitage zeigen auch, dass bei der einheimischen Bevölkerung die Freude am Pistenskilauf nach wie vor besteht.

Mehr als nur einen Wermutstropfen stellt jedoch die geschlossene Skigebietsgastronomie dar. Das ist speziell für Familien mit Kindern äußerst unangenehm und verkürzt deren Aufenthaltsdauer im Skigebiet. Gerade dort, wo keine Straße hinführt, wäre die Verabreichung von Speisen und Getränken wichtig, ganz abgesehen von der Möglichkeit, sich zwischendurch aufzuwärmen. Die Betreiber der Skigebietsgastronomie würden die Sicherheitskonzepte in diesen Betrieben wohl ebenso professionell umsetzen wie bei den Aufstiegsanlagen und Skipisten.

Die mit den Bergbahnen im vergangenen Sommer und im jetzigen Winter gemachten Erfahrungen im Umgang mit der Corona-Problematik belegen, dass die Unternehmen gewohnt sind, in die innere Sicherheit zu investieren. Die Gäste schätzen das. Möglicherweise ist es auf lange Sicht lohnender und zielführender, noch mehr nach innen und in das unmittelbare Umfeld zu investieren als in die ständige Erweiterung von Seilbahnkapazitäten und Pistenkilometern.

28. Dezember 2020, 18:02

Da bin ich teilweise anderer Meinung als Peter Haimayer:

Derzeit ist das Gegenteil von „business as usual“, wir müssen täglich dazulernen und die Abläufe verbessern. Daher hilft jede Reduktion der Komplexität. Wenn Takeaway, dann am besten zur Konsumation im eigenen Auto. Die verkürzte Aufenthaltsdauer ist logisch und gut, wenn es um die sportliche Aktivität geht. Und sonst nichts.

Ich wurde vom ORF bereits am 25. Dezember für „Niederösterreich heute“ gefragt, ob die Öffnung der Skigebiete in Niederösterreich richtig war. Meine Antwort darauf war mehr oder weniger eloquent, erscheint mir aber in einem harten Lockdown, während der Ferienzeit und mit minimalem Sport- und Freizeitangebot rund um die Ballungszentren vertretbar: „Heuer reden wir über Sport pur. Es geht ums Skifahren, es geht darum, die ersten Schwünge zu machen. Und das ist ja etwas, was ganz viele Menschen stärkt und was denen Kraft gibt. Und als Skigebiete tragen wir das mit und wollen wir das ja auch.“

29. Dezember 2020, 8:12

Lieber Markus, ich denke da müssen wir differenzieren. Im Hinblick auf die Skigebietsgastronomie macht es wohl einen Unterschied, ob ich mich in einem der kleinen bis mittleren Skigebiete im Osten Österreichs aufhalte oder in einem großen Skigebiet in den westlichen Bundesländern. In deinem Beitrag weist du ja auch darauf hin, dass alle Skigebiete Niederösterreichs zusammengenommen mit 31.000 Skier Days gerade einmal jene Kapazität schaffen wie ein großes Skigebiet im Westen des Bundesgebietes.

Um es in einem Bild auszudrücken: Während ich im Osten mit einigen Schwüngen schon wieder im Tal und am Parkplatz bin (und damit beim Restaurant an der Straße mit Takeaway-Möglichkeit), befinde ich mich mit der gleichen Anzahl an Schwüngen im Westen noch mitten im Hochgebirge. Und da stellt sich die Frage der Schigebietsgastronomie doch ein wenig anders.

Über das sogenannte Gute an der kurzen Aufenthaltsdauer ließe sich ebenfalls trefflich diskutieren. Aber dafür bietet sich vielleicht ein andermal Gelegenheit.

29. Dezember 2020, 23:23

Lieber Markus, du hast mit deinem Kommentar die Stimme der Vernunft abgegeben und in NÖ gezeigt, dass Skisport auch coronaverträglich organisiert werden kann. Diese Vorgangsweise ist auch national und international herzeigbar und zeigt verantwortungsvolles Handeln und rechtzeitige Vorbereitung.

Leider haben wir noch immer hohe Seilbahnfunktionäre, die glauben durch lautes Poltern vor allem ihre kurzsichtigen Geschäftsinteressen durchsetzen zu müssen.

Wir werden mit dem Pandemiethema wohl im heurigen Winter leben müssen. Da hilft uns nur was die Gesundheit der Gäste im Focus hat. Dieser Herausforderung muss sich auch die Seilbahnwirtschaft stellen. Gottseidank sind die Unternehmen da oft schon viel weiter als ihre Funktionäre.

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