13. Juni 2017 | 11:42 | Kategorie:
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Landgastronomie kämpft ums Überleben

Der ORF hat berichtet, dass in Oberösterreich in den letzten 15 Jahren fast jedes dritte Wirtshaus zugesperrt hat. Damit setzt sich auch in der Landgastronomie fort, was die Greissler bereits weitgehend hinter sich gebracht haben und die Landwirte ebenso gerade durchleben. Die aktuellen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen reichen nicht aus, das Überleben und vor allem die Fortentwicklung der Betriebe sicherzustellen.

Eine häufige Bruchstelle ist die Betriebsübergabe, die voraussetzt, dass die nachfolgende Generation willens und in der Lage ist den oft verschuldeten Betrieb mit meist erheblichen Investitionsdefiziten zu übernehmen und in eine bessere Zukunft zu führen.

Auf den ersten Blick scheinen die Rahmenbedingungen für die Gastronomie grosso modo in Ordnung. Die Strukturkennzahlen weisen auf eine stabile Entwicklung hin: In den vergangenen fünf Jahren ist die Zahl der Gastro-Unternehmen österreichweit allerdings leicht um 3 % auf knapp unter 50.000 zurückgegangen, während die Zahl der darin Beschäftigten um 12 % zugenommen hat.

Das verfügbare Erwerbseinkommen der Kunden ist ebenso gestiegen wie die Bereitschaft für Hedonismus. Das Mehr an Urlaubsreisen regt zusätzlich wie die wachsende Konsum-freudigkeit die Nachfrage an. Allerdings wird die Wettbewerbssituation erschwert durch Convenience-Angebote des Einzelhandels, neue Hygienevorschriften, Einführung der Registrierkassenpflicht oder neue Compliance-Richtlinien für Unternehmen. Die fortschreitende Digitalisierung revolutioniert auch den Gastronomiemarkt durch neue Reservierungs-, Bestell- und Bezahlsysteme.

Vor allem im städtischen Bereich entstehen neue Betriebstypen wie vegane Restaurants und Restaurants mit asiatischer Küche, die den neuen Ernährungstrends entgegenkommen. Mischformen von Handel und Gastronomie entstehen in Einkaufszentren oder Städten und Catering-Angebote oder Popup-Imbiss-Stände von touristischen Start-ups bringen mit neuen Angeboten frischen Wind. Im urbanen Bereich haben Online-Cateringdienste ein zusätzliches Angebot entstehen lassen. Zwei der größten Anbieter wickeln derzeit 20 Mio. Bestellungen monatlich in den von ihnen versorgten Ländern ab. Diese Veränderungen erzeugen für die bestehenden Gastronomiebetriebe einen Konkurrenz- und Erneuerungsdruck. Vor allem die Gastronomie in dünn besiedelten Landgebieten kann dann mangels finanziellen Spielraums die notwendige Weiterentwicklung kaum finanzieren.

Das zwingt in der Folge auch dazu, auf billige Arbeitskräfte auszuweichen und macht den Tourismus zur Branche mit der am schnellsten wachsenden Ausländerbeschäftigung. Während seit 1998 die Beschäftigung von Österreichern in der Tourismus- und Freizeitwirtschaft um 38 % zugenommen hat, schnellten die Beschäftigungszahlen aus den alten EU-Ländern um 187 % und aus den neuen EU-Ländern um 719 % in die Höhe (vgl. Wirtschaftskammer Österreich 2016).

Aus Unternehmersicht ist mit einer Lohn- und Lohnnebenkostentangente von 33 bis 40 % der Einnahmen die Grenze des Erträglichen erreicht. Das Ausscheiden aus der Branche aber – Gott sei es gedankt – auch Neugründungen (die Tourismus- und Freizeitwirtschaft liegt an vierter Stelle aller Branchen), kann als eine Branchencharakteristik angesehen werden.

 

14. Juni 2017, 10:01

Sehr geehrter Herr Hartl!

Ihre Ausführungen über aktuellen Hürden der Branche sind treffend. Doch nur treffend für Unternehmer welche in ihren eigenen Stärken, betrieblichen Chancen und ihrem Glauben an ihre Vision (oder gar keine Vision haben) nicht festhalten oder diese gar nicht sehen. Ich möchte mich deshalb dieser Ansicht nicht ganz anschließen, da für mich und meine Unternehmungen immer der Fokus auf das Ziel ausgerichtet ist. Chancen sind und können heute immer noch genutzt werden auch wenn der eine oder andere Standort nicht mehr haltbar ist.
Die Generationenfrage ist auch einfach erklärt, wenn die Eltern die Freude an ihrer Arbeit und den Sinn nicht leben können, wie sollen es die Kinder oder die Mitarbeiter dann übernehmen? Sprichwörtlich der Apfel fällt nicht weit vom Stamm.

Ich bin freudig und überzeugt Gastronomen und Unternehmern in ihre Kraft, Vision und erfolgreiche Zukunft begleiten zu können.

Hochachtungsvoll
Peter Möstl

14. Juni 2017, 11:36

Sehr geehrte Ansprechpartner,

es beweist sich immer wieder, dass sich gute Konzepte immer wieder durchsetzen und diese müssen nicht unbedingt kompliziert und kostenintensiv sein. Es geht um Authentizität, gute Grundprodukte und Liebe im Umgang mit den Gästen.

Die wichtigsten Zielgruppen für diese Betriebe, sind die Einheimischen, die sie in ihren Beschreibungen nun leider nicht erwähnt haben und aber v.a. auch Gäste von Vermietern, Pensionen und B&B Betrieben. Der Trend zu B&B Betrieben wäre hier eigentlich förderlich – die Menge genügt hier allerdings nicht und kleine Vermieter und Pensionen brechen reihenweise weck –

Die Aufgabe muss sein, die ländlichen Regionen mit neuen Zielgruppen neu zu beleben um so auch eine neue Grundlage für Gastwirte zu schaffen – so wäre eine Win – Win Situation geschaffen und wie gesagt – die Einheimischen dürfen nicht vergessen werden!

Eine möglichen Perspektive durfte ich gestern in Wien im Zuge eines Leuchtturmprojekts vorstellen – allerdings darf ich über den Titel und den genauen Inhalt derzeit keine Informationen, auf Grund einer vereinbarten Verschwiegenheitsverpflichtung, nach außen kommunizieren. Soviel denke ich aber schon – Chancen gibt es!

Mit provokatörend sympathischen Grüßen
Mag. Thomas Wiesenegger

15. Juni 2017, 11:56

Neben den von Franz Hartl primär angesprochenen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen wird der Überlebenskampf der Dorfgasthäuser auch von gesellschaftlichen Veränderungen mitbestimmt, wobei Wirtschaft und Gesellschaft natürlich in enger Wechselbeziehung zueinander stehen.

Die Entwicklung, die ja allgemein bekannt ist, konnte ich in den vergangenen Wochen bei mehreren Aufenthalten in verschiedenen „Vierteln“ Ober- und Niederösterreichs beobachten. Um zu einem guten Essen zu kommen, musste ich den einen oder anderen Suchprozess hinter mich bringen und so manchen Kilometer abspulen. Doch ist gleich hinzuzufügen, dass wir dieses Phänomen auch in den westlichen Bundesländern kennen, jedenfalls in Landgemeinden, wo der Tourismus weniger intensiv ausfällt. Auch im Westen sind der Erhalt bzw. die Wiedereröffnung von Dorfgasthäusern ein Thema, wobei nicht selten die Gemeinden initiativ werden müssen. Damit Dorfwirtshäuser florieren, sind aber auch die Konsumenten gefordert und da ist einiges an Aufklärungs- und Überzeugungsarbeit zu leisten. Das verdeutlichen folgende zwei Beispiele, die keinesfalls Einzelfälle sind und die nichts oder nur wenig mit wirtschaftlichen Rahmenbedingungen zu tun haben.

Der Bürgermeister einer Kleingemeinde im Westen Österreichs, der damit rechnen muss, dass auch die letzte „Beiz“ ihre Pforten schließt, hat mir bei der Suche nach Lösungen folgendes erzählt: Angesichts der Gefahr, dass der letzte Wirt zusperrt, hat ihn ein enger Verwandter bedrängt, sich darum zu kümmern, dass das Lokal offen bleibt. Der Bürgermeister bekundete Verständnis, musste seinen lieben Verwandten jedoch auffordern, auch selbst einen Beitrag dazu zu leisten: Der Verwandte hatte nämlich das betroffene Lokal seit Jahren nicht mehr von innen gesehen.

Ein weiterer, ähnlich gelagerter Fall: In einem Gespräch hat sich ein älterer, wirtschaftlich gut situierter Einheimischer heftig und mit Emotion über die vielen Türkenlokale im Zentrum seiner Kleinstadt beschwert. In derselben Straße befindet sich seit mehreren Jahren ein attraktives Cafe mit Terrasse, das für die Qualität seiner Produkte weitum bekannt ist. Da ist der Inhaberin der Cafe-Konditorei, die am selben Tisch saß, der Kragen geplatzt. Sie musste den ehrenwerten Herrn mit aller Deutlichkeit darauf hinweisen, dass sie ihn immer wieder auf der gegenüberliegenden Straßenseite im Kebap-Lokal sieht, dass er aber, obwohl nur wenige Häuser weiter wohnhaft, in all den Jahren noch nie in ihrem Cafe war.

Hier noch zwei weitere Aspekte:

Zu den ökonomisch-sozialen Rahmenbedingungen gehören sicher auch die zahlreichen Vereinslokale, die, z.T. mit eigener Schank und (Klein) Küche bestens ausgestattet, den Wirten Kundschaft entziehen. Die Sachlage ist bekannt, aus naheliegenden Gründen traut sich aber niemand das Problem anzugreifen. Und so mancher, der das Sterben der Dorfgasthäuser beklagt, lässt es sich im Vereinsheim gutgehen.

Wenn die Gastronomiebetriebe in der Stadt prosperieren, während sie auf dem Land ums Überleben kämpfen, so hat das auch damit zu tun, dass viele Landbewohner sich untertags als Pendler in urbanen Zentren aufhalten. Dabei frequentieren sie in der Mittagszeit – und gerne auch nach Dienstschluss – die dortige Gastronomie. Gleichzeitig herrscht auf den Dorfstraßen gespenstische Ruhe – von einigen ratternden Traktoren einmal abgesehen.

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