8. November 2019 | 18:37 | Kategorie:
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Tourismusforschung und Praxis – kleine Standortbestimmung

In den Jahren 2011 und 2012 wurde im Tourismuspresse Blog in mehreren Beiträgen und Kommentaren die Tourismusforschung in Österreich kritisch beleuchtet. Auf Mängel wurde hingewiesen, Verbesserungspotenziale wurden aufgezeigt. Als eine Reaktion darauf entstand 2014 die Plattform Tourismusforschung, der Dietmar Kepplinger im TP Blog einen eigenen Beitrag gewidmet hat. Zumindest einen Teilerfolg haben die Bemühungen von Ulrike Reisner gebracht, die Fachhochschulen in den Tourismuspresse Blog einzubinden und ihre Forschungsergebnisse auch auf diesem Wege der Praxis zugänglich zu machen: Daniel Binder hat den Ball für die FH Joanneum aufgegriffen.

Tourismusforschung in Tirol

In der Zwischenzeit hat sich dank geänderter Rahmenbedingungen auch in Innsbruck einiges getan bzw. wurde hier manches reaktiviert. Damit hat die Tourismus- und Freizeitforschung an der Universität wieder breiter Fuß gefasst. Dort ermöglicht das Forschungszentrum Tourismus und Freizeit die Vernetzung von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern unterschiedlicher Fachrichtungen. In einer weiteren Initiative speisen das Land Tirol und die Wirtschaftskammer Tirol einen Pool, aus dem, aufeinander abgestimmt, eigene sowie gemeinsame Projekte von Universität Innsbruck, UMIT (the health & life Sciences University) und Management Center Innsbruck (MCI) gefördert werden.

Hohe Praxisrelevanz der Themen

Die bearbeiteten Themen sind ausgesprochen praxisorientiert und bei vielen Projekten werden die Betroffenen vor Ort über diverse Formate wie Interviews, Workshops oder Fokusgruppen miteingebunden. Das Hauptinteresse der Forschungen gilt drei großen Themenfeldern: Destinationsmanagement, Geschäftsmodelle im Tourismus sowie Unternehmensführung / Familienunternehmen.

Umfassend angelegt sind die Studien zum Destinationsmanagement im Rahmen des MCI Tourismus Destination Research Lab. Sie reichen von Fragen der Führung von Destinationen über deren wirtschaftliche Performance bis hin zur Attraktivität der Destinationen und der Gewichtung ihrer Attraktionsfaktoren. Schwerpunkte beim Thema Geschäftsmodelle bilden Fragen rund um den Winter bzw. den Wintersport. Beim Thema Unternehmensführung / Familienunternehmen liegt der Fokus auf der Nachfolgeproblematik, dem Zusammenspiel von Familienmitgliedern und Mitarbeitern sowie dem Employer Branding.

Transfer der Forschungsergebnisse in die Praxis

Eine besondere Herausforderung besteht natürlich in der Vermittlung der Forschungsergebnisse an die Praxis. Sie erfolgt z.T. im direkten Kontakt mit den Akteuren auf der Ebene der Politik, der Interessenvertretungen, der Tourismusorganisationen sowie der Unternehmen. Zudem werden die Forschungsergebnisse publiziert, wobei für jedes Projekt die Kernergebnisse und die davon abgeleiteten Handlungsempfehlungen für die Praxis in übersichtlicher Form dargestellt werden.

Darüber hinaus besteht in Innsbruck mit dem ICRET (International Center for Research an Education in Tourism) eine Plattform, die dem Austausch zwischen Wissenschaft und Praxis dient. Dieser bezieht aber nicht nur die Forschungen der Tiroler Institutionen mit ein, sondern auch die anderer an der Plattform beteiligter Forschungseinrichtungen aus Salzburg, Südtirol, Deutschland und der Schweiz.

Erfreuliche Perspektiven

Aus all dem resultiert eine positive Bilanz. Erfreulich dabei ist das konstruktive Zusammenwirken der beteiligten Forschungsinstitutionen sowie die Qualität der Kooperation der Akteure über Fach-, Fakultäts- und Universitätsgrenzen hinweg. Das zeigt sich etwa bei den fachübergreifenden Bachelor- und Masterstudien sowie beim interdisziplinären Doktoratskolleg, was einmal mehr den Charakter der Tourismusforschung als Querschnittsmaterie unterstreicht. Das Engagement, das hier Lehrende und Studierende an den Tag legen, ist angesichts der Herausforderungen, vor denen die alpine Tourismuswirtschaft steht, von unschätzbarem Wert. Die Qualität der Forschung und der Lehre führen nämlich dazu, dass sich in Zukunft mehr und mehr Persönlichkeiten mit hoher Kompetenz in die Gestaltung und Weiterentwicklung der Tourismus- und Freizeitwirtschaft einbringen können.

9. November 2019, 11:50

Vielen Dank für diesen Einblick in die aktuelle Tourismusforschungslandschaft in Tirol! Zu meinem großen Bedauern gibt es die Plattform Tourismusforschung in der im Jahr 2014 ins Leben gerufenen Form nicht mehr. Allerdings wirkt sie in einigen Bereichen, unter anderem bei aktuellen Buchpublikationen, bis heute nach; aus meiner Sicht erwähnenswert sind in diesem Zusammenhang vor allem die folgenden Forschungsprojekte:

Zur Geräuscherkennung und –wahrnehmung sind aus bei den Science Labs der Plattform Tourismusforschung von uns präsentierten Projekten mehrere internationale, weit gediehene Patentanträge bzw. ein ganz aktueller nationaler provisorischer Patentantrag hervorgegangen. Das dabei behandelte „machine learning“ mit Daten aus Schallpegelmessungen, Ton- und Videoaufzeichnungen kann auch für den Tourismus wertvolle Erkenntnisse und Lösungen liefern (etwa bei der Vermeidung von von Gästen zunehmend als störend empfundenem Lärm). Informationen zu einem vom Fraunhofer IDMT konkret umgesetzten Projekt – „Stadtlärm Jena“ – liefert dieses Video: https://www.youtube.com/watch?v=kWgEsxGZ6eU.

Die von uns aufgegriffene vertiefende Analyse der Tourismusgesinnung könnte, ausgelöst durch ein FFG-Projekt der Modul University („Smart data analytics“ für die Hotellerie), eine interessante methodische Verbreiterung erfahren.

Zum touristischen Radverkehr hätten wir Ideen in die Plattform Tourismusforschung eingebracht. Heuer haben wir dann mit Forschungs- und Umsetzungspartnern aus der Wirtschaft ein Projekt initiiert, das anhand bereits vorliegender Daten eine in dieser Form bisher noch nicht mögliche Beschreibung der Struktur und des Verhaltens der Radfahrer auf touristischen Hauptradrouten erlauben soll. Die ersten Tests dazu sind in vollem Gang; rund um den Jahreswechsel wird sich zeigen, ob das Projekt, beginnend mit den niederösterreichischen Top-Radrouten, umgesetzt werden kann.

Wenn Sie an einem dieser Projekte interessiert sind, dann freue ich mich über einen Kommentar dazu hier im TP-Blog oder über eine persönliche Kontaktaufnahme!

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