2. August 2017 | 12:54 | Kategorie:
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Massentourismus: Die Geister, die ich rief…

Es rauscht sommerlich im Blätterwald, aus Spanien erreichen uns, spärlich aber doch, Nachrichten von Unruhen, die sich offenbar auf die Auswirkungen des Massentourismus beziehen. So titel der Tagesspiegel heute: „Anti-Tourismus-Aktivisten zerstechen Reifen von Leihfahrrädern“, die BILD holte den Bürgermeister von Palma vor das Mikrofon und wusste danach: „Darum hält er deutsche Urlauber für Abschaum“. Etwas politischer klingt die Schlagzeile der Mallorca-Zeitung: „Katalanische Separatisten protestieren gegen Tourismus auf Mallorca“.

Wie viel Tourismus darf sein?

Nun ist es auf Distanz schwierig, das tatsächliche Ausmaß dieser Unruhen zu beurteilen, geschweige denn, über die konkreten Beweg- und Hintergründe zu sprechen. Fakt ist aber, dass in den sozialen Medien die ersten Videos die Runde machen, gefolgt von ersten Reaktionen der für den Tourismus Verantwortlichen oder von ihm Profitierenden, die versichern, das Ganze sehe wilder aus als es tatsächlich sei.

Und doch trifft das Thema einen Nerv all jener Destinationen, die zu bestimmten Zeiten „Massen“ bewältigen müssen – auf Skipisten, auf Stränden, auf Flaniermeilen oder an all den weiteren „points of interest“. Dies ist umso kritischer, wenn es sich um Destinationen handelt, die auch sonst schon gut frequentiert sind. Wer sein Büro in der Wiener Innenstadt hat, weiß, dass es zu bestimmten Zeiten kaum ein Vorwärtskommen gibt. Und ich selbst war vor Jahren Augenzeugin, wie sich eine resolute Salzburgerin mit einem Regenschirm ihren Weg durch die Altstadt  „bahnte“ und lautstark nach links und rechts verlauten ließ, dass es in der Mozartstadt auch Menschen gäbe, die einer Arbeit nachgingen.

Noch problematischer wird es, wenn beim Zusammentreffen von Touristen und Einheimischen dann auch noch soziale Unterschiede deutlich werden, es also nicht nur um „genügend Platz für alle“ sondern auch um „genügend Ressourcen für alle“ geht.

Wie viel Tourismus darf also sein? Wie viel zusätzliche Masse verträgt die Massengesellschaft? Der Vorwurf auf einem Plakat in Barcelona lautete: „Tourists welcome – Locals not welcome“. Die Geister, die ich rief, werd´ ich nun nicht mehr los.

3. August 2017, 14:31

Für meinen Kommentar qualifizieren mich unter anderem folgende Umstände: Ich bin Stadt-Salzburger, die längstge Zeit meindes Lebens habe ich im Herzen der Altstadt, präziser: im Kaiviertel, das ist das Regierungsviertel, gewohnt. Genau dort, wo die Massen von (Bus)Touristen von den südlich gelegenen Parkplätzen in die Altstadt strömen. Als Journalist (ich war 13 Jahjre Chefredakteur des fürenden Privatradios „Antenne Salzburg“) habe ich die Entwicklung von Berufs wegen verfolgt. Und zuvor war ich 10 Jahre lang Presserferent einer (Landes)Partei, die in der Stadt – mit wenigen kurzen Ausnahmen – immer den Bürgermeister gestellt hat bzw. stellt. Habe also politische Entscheidungsprozesse auch „von innen“ verfolgen können.

Zunächst einmal: In Salzburg ist die Entwicklung – und da will ich keineswegs Schuldzuweisungen aussprechen – schlicht und einfach aus dem Ruder gelaufen. Da geht es nicht darum, den Tourismusreferenten, der zurzeit von der ÖVP gestellt wird, anzuschwärzen oder die Mehrheitsfraktion im Gemeinderat (SPÖ). Eine solche Entwicklung vollzieht sich ja schleichend. Die Basis allen Handelns, oder, besser gesagt, Nicht-Handelns, ist die prinzipiell positive Einstellung gegenüber der Cash Cow Tourismus. Was aber die Verantwortlichen unterschätzt haben, ist, dass sich neben den unterstützungswürdigen „klassischen“ Tourismusbetrieben wie Hotellerie, Gastronomie, Beförderungsgewerbe, Einzelhandel (worunter leider auch die hässlich-kitschigen Souvenirläden fallen), eine Vielzahl von – ich würde sagen – Trittbrettfahrern etabliert haben, die die Anziehungskraft der Mozart-, Festspiel- und Kulturstadt (schönste Barockarchitektur nördlich der Alpen) für ihr mieses Angebot nützen, das den Menschen hier de facto keinen Nutzen bringt. Zwei Beispiele: In Salzburg fahren an den schönsten Plätzen und durch die engsten Gassen immer wieder Gruppen von behelmten Segway-Fahrern, die nicht nur inmitten der Fußgänger viel zu schnell unterwegs sind, sondern ihr Gefährt zumeist auch sehr schlecht beherrschen. Wie kommen Gäste wie Einheimische dazu, sich von diesen Leuten, die ihr oft rücksichtsloses Verhalten auf den Straßen nun auch noch in die Fußgängerhzonen transferieren wollen, terrorisieren zu lassen? Wer genehmigt einen solchen Schwachsinn? Wegen der Möglichkeit Segway zu fahren, kommt direkt kein einziger Tourist nach Salzburg, das ist ein Mitnahme-Angebot! Beispiel Nummer zwei: Salzburg ist nicht nur Mozart- und Festspielstadt, sondern auch das Zentrum des „Sopund of Music“-Tourismus. Knapp 700.000 Nächtigungen werden pro Jahr allein daraus generiert. So weit, so schön. Weniger schön ist, dass es neben den motorisierten geführten Sound of Music-Touren nunmehr auch Radfahrer-Gruppen gibt, wo auf den Lenkstangen kleine Lautsprecher angebracht sind. Während einer Sound of Music-Radtour erklingen dann an den aus dem Film bekannten Stellen genau jene Lieder, wie sie auch im Film zu hören sind. Dazu noch, ebenfalls via Mikrophon, die erbärmlichen Erläuterungen der billig zu diesem Zweck angeheuerten Guides. Dazu kommt, dass diese meist aus USA oder Asien kommenden Gruppen höheren Alters kaum ordentlich radfahren können. Was sich da an neuralgischen Verkehrspunkten, aber auch im Bereich des Schlosses Hellbrunn abspielt, ist eigentlich in vielfacher Hinsicht gesetzeswidrig. Auch hier die Frage: Wer genehmigt einen solchen Schwachsinn? Wer kontrolliert und/oder sanktioniert Segway-Fehlverhalen oder solches bei den Sound of Music-Radtouren? Eines ist aber klar: Mit der Zulassung solcher höchst überflüssiger Blödheiten, wird die ohnehin, in manchen Gebieten bis an die Grenze, belastete Bevölkerung gegen den Tourismus aufgebracht. Und auch der „Qualitäts“-Gast ist von einem solchen Ambiente wenig begeistert, wenn er z. B. in Festspiel-Robe und -Anzug vor rasenden, schwankenden Segway-Fahrern auf die Seite springen muss. Dass die Stadt Salzburg bisher nicht in der Lage war (den Willen möchte ich ihr gar nicht absprechen), den Autobus-Tourismus einigermaßen geregelt und ausgestattet mit der nötigen Infrastruktur sowie einem effizienten Einweisungssystem zu organisieren, ist ein weiterer Punkt, der den SalzburgerInnen „auf den Weecker“ geht. Man freut sich, dass der Tourismus boomt und schaut dem aus dem Ruder laufenden Treiben aber eher ratlos zu. Das könnte in naher Zukunft aber gefähjrlich werden: Wenn der Qualitätsgast die Stadt aufgrund des Rummels meidet und die Einheimischen einmal ernstlich böse werden. „Bezahlen“ würden es die „Braven“ der Branche, das steht fest. Es müssen meines Erachtens die relevanten Toursmusbetriebe selbst einmal auf den Tisch hauen und sagen, „so geht´s nicht weiter.“

11. August 2017, 19:29

Nun ist es ja so, daß Erfolg im Tourismus noch immer primär in Nächtigungen und Ankünften gemessen wird. Das sind Messgrößen, die auf eine Steigerung der Quantität (der Menge) ausgelegt sind. Für ein kleines Land wie Österreich ist das auf Grund der begrenzten Ressourcen nicht sinnvoll.

Demgegenüber operieren große Veranstalter, Buchungsplattformen, Fluglinien etc. auf globalen Märkten. Um dort wettbewerbsfähig zu sein, setzen sie ihre Größe in Preisvorteile um. Je höher die Frequenz, desto wirtschaftlicher ist ihr Modell. Aus deren Sicht macht eine Mengenorientierung Sinn. Die Ressourcenschonung vor Ort steht dazu im natürlichen Wiederspruch.

Qualität statt Quantität? Dazu müssten dann allerdings nicht nur die Messgrößen anders angelegt werden. Wer fängt an?

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