3. Juli 2023 | 16:14 | Kategorie:
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DIY-Marktforschung (1): Auswahl der Befragten bei verfügbaren E-Mail-Adressen

Überlegen Sie, Ihre Mitarbeiterinnen, Lieferanten, Kundinnen oder Newsletter-Abonnenten zu befragen? Steht bei Ihnen, wieder einmal, eine Entscheidung an, die mit Informationen aus so einer Befragung leichter zu treffen wäre? Wenn Sie die E-Mail-Adressen Ihrer Befragungszielgruppe haben, dann ziehen Sie doch auch in Betracht, die Befragung selbst durchzuführen, oder?

Bias bei der Online-Befragung

Der Do-it-yourself-Marktforschung (DIY-Marktforschung) begegne ich in diesem Zusammenhang nämlich immer wieder. Ist es heutzutage doch ein Leichtes, einen Online-Fragebogen zusammenzustellen und eine Einladung an alle Personen auszusenden, von denen man gerne eine Antwort hätte. Es ist ja zu verlockend: Wenn ich alle Mitarbeiter, Lieferantinnen etc. anschreibe, dann muss das Ergebnis doch repräsentativ sein, also für die gewählte Befragungszielgruppe als Ganzes gelten! Aber weit gefehlt: Bei so einer Vorgangsweise ist zu beachten, dass es zu systematischen Verzerrungen kommen kann. Dies ist zum Beispiel der Fall, wenn Personen mit für die Befragung relevanten Eigenschaften nicht teilnehmen können oder wollen (Unit-Non-Response-Bias). Aus einem anderen Blickwinkel betrachtet trifft das ebenfalls zu, wenn gerade die teilnehmen, die das Thema besonders betrifft bzw. die zu diesem Thema eine „spezielle Agenda verfolgen“. Tritt so ein Bias auf, dann kann es schwerwiegende Folgen haben, aus den Befragungsergebnissen Entscheidungen abzuleiten, die auch die Personen treffen, die ihre Meinung nicht zum Ausdruck gebracht haben.

Lösungsansätze

Was kann man nun dagegen tun? Allem voran muss der Datenerhebungstechnik und der Stichprobenauswahl besonderes Augenmerk geschenkt werden. In manchen Fällen kann es zum Beispiel besser sein, zufällig Ausgewählte persönlich zu befragen, anstatt alle online. Wenn die Anonymität eine Rolle spielt, dann müssen die Interviews allerdings von außenstehenden Dritten geführt werden – zum Beispiel dann doch von einem darauf spezialisierten Institut. In anderen Fällen kann eine schriftliche Befragung einer zufälligen Stichprobe (paper & pencil) eine Option sein. Und wenn der Kreis der potentiell zu Befragenden, also die Grundgesamtheit, von Haus aus relativ klein ist, dann kann bei einem drohenden Auswahlbias überlegt werden, anstelle einer quantitativen Datenerhebung einen qualitativen Zugang zu wählen.
Hilfreich kann sein, mittels des Fragebogens Eckdaten zu erheben, anhand derer man überprüfen kann, ob die Stichprobe (die ausgefüllten Fragebögen) der Grundgesamtheit entspricht. Dies ist leider jedoch sehr häufig nicht möglich, nämlich dann, wenn die Merkmale, die den Bias auslösen, für die Gesamtgruppe der zu Befragenden nicht bekannt sind (würde man sonst die Befragung brauchen?). Sollte die Aufnahme dieser Eckdaten in den Fragebogen doch möglich sein, dann können eventuell vorliegende Verzerrungen der Stichprobe durch eine nachträgliche Datengewichtung korrigiert werden.

 

Einfach zum Nachdenken

Was gefällt Ihnen (abgesehen von möglichen Compliance-Konflikten) aus methodischer Sicht an der Stichprobenauswahl bei dem folgenden Beispiel einer DIY-Marktforschung nicht?

Eine Hotelkette der gehobenen Kategorie hat für seine Businesskunden einen besonderen Service eingeführt. Nun will man von den Top-Businesskunden wissen, ob der neue Service beim letzten Aufenthalt wahrgenommen wurde und wenn ja, wie er beurteilt wird. Da zu dieser Befragungszielgruppe nahezu vollständig Firmen-E-Mail-Adressen vorliegen (häufig office@…, info@…, sales@… etc.), entscheidet man sich für eine DIY-Online-Befragung. In der Einladungs-E-Mail wird gebeten, diese im Falle des Falles an die richtige Person, also den Hotelgast weiterzuleiten. Und es wird angekündigt, dass jede Person, die den Fragebogen ausfüllt, bei der nächsten Veranstaltung, die die Hotelkette für seine wichtigsten Kunden in ausgewählten Hotels im ganzen Land ausrichtet, zu einem besonderen Programmpunkt eingeladen wird. Die dazu notwendigen Kontaktdaten werden aus Gründen der Anonymität und des Datenschutzes unabhängig vom Fragebogen nach dem Ausfüllen in einem eigenen Kontaktformular erfasst.

 

Hinweise

Dieser Beitrag ist der erste aus einer Reihe von Fallbeispielen zu den Tücken der DIY-Marktforschung, die in unregelmäßigen Abständen auf meiner Firmen-Webseite – und zum Teil sicher auch hier – erscheinen. Dort finden Sie auch Hinweise auf die bei den „Einfach zum Nachdenken“ angesprochenen methodischen Fallstricke.

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