29. November 2017 | 15:45 | Kategorie:
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Sommer vor Winter

Von der Mitte der Neunzinger Jahre bis kurz nach der Wirtschaftskrise war es Jahr für Jahr zu beobachten, dass die Winternächtigungen deutlicher zunahmen als die Nächtigungen des Sommers. Da sich der Wintertourismus auf wenige Nationen in Europa konzentrierte konnte Österreich mit seinem großen Alpenanteil und dem preiswerten Angebot immer wieder punkten.

Trend hat gedreht

Aber seit der Wirtschaftskrise 2008/09 ist alles anders: Die Sommernächtigungen nehmen weiter zu (im letzten Zehn-Jahres-Zeitraum um 23 %) während die Winternächtigungen sich nur mehr zögerlich entwickeln (mit insgesamt 15 % in den letzten zehn Jahren). Im heurigen Jahr hat sich dieser Trend fortgesetzt und verschärft – mit Sommernächtigungen, die ein Plus von 2,7 % aufweisen konnten, während die Wintersaison nur magere 0,1 % Zuwachs verzeichnen konnte.

Natürlich haben Flüchtlings-, Wirtschafts- und politische Krisen dazu geführt, dass es zu Verwerfungen in den europäischen Reiseströmen kam. Nahe und sichere Reiseländer haben in Krisenzeiten Konjunktur und da haben die deutschen Nachbarn und natürlich auch die Inlandsgäste dem Aktivurlaub in den Bergen und der Erholung in den Gebirgs­regionen den Vorzug gegeben.

Die Digitalisierung tut ein übriges, damit in der Branche die permanente Veränderung zum einzig stabilen Faktor wird. Buchungsportale und Vergleichsplattformen sorgen für einen ständigen Wettbewerb der auf der Preis- und Qualitätsebene ausgetragen wird.

Eine Analyse der Daten nach Marktsegmenten (V. Fleischhacker: Der Sommertourismus in Österreich 2016) zeigt, dass der Berg- und Alpintourismus das mit Abstand stärkste Wachstum verzeichnen konnte – deutlich vor dem Städtetourismus und sogar vor der Stadt Wien, die ja in der Vergangenheit immer Wachstumsmotor war. Dieser Trend hat sich schon seit längerer Zeit abgezeichnet: Schon seit einigen Jahren entwickelt sich die Sommersaison wieder dynamischer als die Wintersaison und die Entwicklung der Bergregionen war nur durch das dynamische Wachstum des Städtetourismus (vor allem Wiens) in den Schatten gerückt.

Wärmere Sommer machen Berge attraktiv

Wahrscheinlich kommen den Bergen auch die Prognosen der Klimaforscher zugute. Wenn die Temperaturen über die Jahre langsam aber stetig ansteigen prophezeien Zukunftsforscher Änderungen auf Arbeitszeiten, Bauweisen, Essgewohnheiten und Urlaubsverhalten. Die Wahl des Urlaubsortes kann sich durchaus nach dem erwarteten Temperaturniveau richten.

Was günstig für den Sommer ist, macht das Leben im Winter schwieriger. Niedrig gelegene Skigebiete müssen zusperren und höher gelegene Skigebiete können zwar noch mit Naturschnee rechnen. Die Kosten für Beschneiungsanlagen und moderne und konkurrenzfähige Liftanlagen lassen jedoch die Eintrittspreis steigen und machen so das Skifahren zu einem immer teureren Vergnügen, das auch dank der Billigflugangebote in Konkurrenz zu Sonnendestinationen steht.

Aber heuer scheint es mit dem Saisonauftakt zu passen, pünktlich Anfang Dezember wird es kalt, sodass die Schneekanonen auf Hochtouren laufen können und die Erwartungen auf eine zufriedenstellende Wintersaison gerechtfertigt scheinen.

29. November 2017, 17:49

Vielen Dank für diese Gegenüberstellung der Entwicklung der Saisonen! Zum Sommer interessant ist der zitierte Befund von Prof. Fleischhacker zum Berg-/Alpintourismus als Wachstumstreiber. Gibt es zur Studie „Der Sommertourismus in Österreich 2016“ einen Link bzw. eine Bezugsquelle?

30. November 2017, 10:15

Diese Datenanalyse/Studie von Prof V. Fleischhacker würde mich auch interessieren. Download/Bestellseite?

30. November 2017, 14:13

Für mehr Informationen: Die Studie kann über die Homepage von Prof. Fleischhacker angefordert werden.

http://www.tourismusforschungaustria.at/

Fleischhacker, V. (2017): Der Sommertourismus 2016 in Österreich – Tendenzen der Nachfragesegmente; ITR-Tourismusreport 1/2017

3. Dezember 2017, 15:24

Zunächst ein Hinweis: Eine Präsentation mit Kerninhalten der Fleischhacker-Studie ist unter dem Titel „Tendenzen der Nachfragesegmente des Sommer- und Wintertourismus in Österreich“ als pdf-Datei im Internet zu finden.

Hier nun einige Vertiefungen zum Beitrag von Franz Hartl, der bereits im Jänner dieses Jahres im TP-Blog auf den Trend zum Alpintourismus hingewiesen hat: https://www.tp-blog.at/destinationen/der-sommer-ist-zurueck

Beim Vergleich des Berg-/Alpintourismus mit anderen Nachfragesegmenten ist zwischen einer kurzfristigen und einer längerfristigen Betrachtung zu unterscheiden. Greift man lediglich die Jahre 2015 und 2016 heraus, so ist der Berg-/Alpintourismus das am stärksten wachsende Segment und Schutzgebietstourismus, Seentourismus und Wientourismus folgen auf den Fuß. Im längerfristigen Vergleich, d.h. im Zeitraum von 2006 bis 2016, hat nach wie vor der Wien-/Städtetourismus die Nase vorn. Der Berg-/Alpintourismus folgt mit einigem Abstand, wogegen sich Seen- sowie Schutzgebietstourismus in Bezug auf Nächtigungssteigerungen im letzten Drittel der zwölf ausgewiesenen Nachfragesegmente befinden. Absolut erfreulich ist ohne Zweifel, dass von 2006 bis 2016 alle Nachfragesegmente eine positive Sommerentwicklung erfahren haben.

Zum Berg-/Alpintourismus, dem rund 470 der 1.600 von Fleischhacker definierten österreichischen Tourismusgemeinden zugewiesen sind, ist noch festzuhalten, dass er unter allen zwölf Nachfragesegmenten das mit Abstand größte absolute Nächtigungsvolumen aufweist.

Die positive Sommernachfrage beim Berg-/Alpintourismus wird u.a. gefördert durch die nahezu flächendeckend festzustellenden Bemühungen um Ganzjahrestourismus. In Tirol sind diese Bestrebungen z.B. aktuell daran erkennbar, dass jetzt zur Zeit der Vollversammlungen in einer Reihe von Tourismusverbänden Erhöhungen der Kurtaxe/Aufenthaltsabgabe (bis hin zur Verdoppelung) stattfinden, um mit den zusätzlichen Einnahmen Investitionen in die Sommer- und Ganzjahresinfrastruktur tätigen zu können.

Noch zwei Gedanken zum Thema Winter, bei dem Franz Hartl die Kosten für die technische Beschneiung sowie für moderne Aufstiegsanlagen anspricht und die steigenden Preise für Liftkarten erwähnt.

Die technische Schneeerzeugung kostet zweifelsohne viel Geld, doch werden die Methoden für eine effiziente und damit kostengünstigere Beschneiung immer besser (siehe z.B. https://oe1.orf.at/player/20171202/496815). Trotz allem ist davon auszugehen, dass die Sache angesichts des Klimawandels und der damit verbundenen Notwendigkeit zu vermehrtem Einsatz von technisch erzeugtem Schnee nicht billiger wird.

Zwei, drei Sätze zu den Ticketpreisen, einem Thema, das in diesen Tagen bereits seine obligaten Runden durch den Medienwald gedreht hat.

Wenn man nur die Ski-Tagespässe im Auge hat, die inzwischen in einer Reihe von Skigebieten die 50-Euro-Grenze überschritten haben, ist die Frage, wer sich das noch wie oft leisten kann und leisten will, durchaus berechtigt. Sieht man sich aber die diversen Saisonkarten- und insbesondere Jahreskartenangebote an, so erscheinen die Dinge in einem etwas anderen Licht. Hier einige Beispiele für Ganzjahreskarten, also für den Winter- und den Sommerbetrieb bei den Bergbahnen sowie bei weiteren, in die Card-Leistungen integrierten Freizeiteinrichtungen.

Montafon-Brandnertal-Card: Vorverkauf € 541, späterer Tarif € 715, Drei-Täler-Pass € 512 bzw. € 541, Freizeitticket Tirol € 470 bzw. € 512. Zum Vergleich die Normaltarife für die Jahreskarten in zwei Innsbrucker Sporteinrichtungen: Fitness Studio Body & Soul € 565, Kletterzentrum Innsbruck € 564. Wohlgemerkt, das sind in allen Fällen die Normaltarife! Zusätzlich stehen Jahresangebote für Senioren, Familien, Jugendliche oder Kinder zu weit niedrigeren Preisen zur Verfügung.

Schaut man sich nun an, was man für eine Bergbahn-Jahreskarte alles geboten bekommt und wie oft diese Angebote in Anspruch genommen werden können, kann aus meiner Sicht von teuer kaum mehr die Rede sein.

Natürlich kommen derartige Angebote nicht für Urlauber in Frage, die nur einmal im Jahr zum Skilaufen gehen. Sie sind aber für alle interessant, die berg-/alpinaffin sind und in einem Umkreis wohnen, von dem aus neben Haupt- und Kurzurlauben auch Wochenend- und / oder Tagesausflüge in die jeweiligen Zielgebiete unternommen werden können. Und das ist (siehe diverse MANOVA-Studien) ein sehr großer Teil der aktuellen und potenziellen Skiläufer.

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