20. Februar 2012 | 15:37 | Kategorie:
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Die Sache mit der Verantwortung

Manchmal hat es der Tourismus nicht leicht: zuerst hanteln sich die Medien von einer Wetter-Katastrophe zur nächsten (zu warm, zu kalt, zu wenig Schnee und dann wieder zuviel) und dann gerät auch noch ein Mitglied des niederländischen Königshauses unter eine Lawine. Die nunmehr (auch nach dem Lawinentoten in Ischgl) entflammte Debatte rund um die Sicherheit abseits und auf den Pisten braucht der österreichische Tourismus mitten in der Faschingswoche so notwendig wie einen Kropf – zumal es sich beim niederländischen Prinzen nicht nur um eine Persönlichkeit des öffentlichen Lebens sondern um einen hohen Repräsentanten eines wichtigen Stammgästemarktes handelt. Die Suche nach dem Schuldigen ist medial in vollem Gange. Kompetente Stimmen, die zurecht meinen, es sei völlig illusorisch, den freien Skiraum hundertprozentig zu überwachen, werden in so einer Situation schnell in den Hintergrund gedrängt. Denn irgendjemand muss doch Schuld sein! Schon werden erste Stimmen laut, die Tourismusorte – in unseliger Koalition mit der Tourismuswerbung – würden ihr Scherflein beitragen. Weil sie tiefverschneite Hänge auf Bildern zeigen, um Gäste ins Land zu locken. Aha, und dann? Versehen wir künftig jedes Winterplakat mit einem schwarz umrandeten Kasten: Vorsicht – Skifahren kann ihre Gesundheit gefährden? Delegieren wir jede Form der Eigenverantwortung? Vielleicht kann die EU auch noch eine Richtlinie hierzu erlassen, bitte sehr! Die Geschichte ist zweifellos tragisch, und ich beneide in diesen Tagen keinen Touristiker, der sich zu diesem Thema äußern muss. Aber wir dürfen nicht mit zweierlei Maß messen: täglich brechen tausende Menschen nach Nordafrika und in andere Destinationen der Welt auf, die weitaus gefährlichere Situationen bergen als die Alpen. Auch diesen Menschen gesteht man Eigenverantwortung zu. Halten wir unsere Gäste nicht für unselbstständiger als sie sind! Und lassen wir uns vom Katastrophenjournalismus der Medien nicht hysterisch machen.

20. Februar 2012, 22:50

Wir leben in einer Zeit, wo jeder Schaden, jede Katastrophe einen Schuldigen hat ja haben muss. Der allzu leichtfertige Umgang des Opfers mit der Gefahr oder ein schlichtes „zur falschen Zeit am falschen Ort“ also Schicksal wird in unserer Vollkaskourlaubsmentalität nicht akzeptiert. Was immer die Hintergründe für den Unfall in Lech gewesen sein mögen: Es ist die Verantwortung der Touristiker, dass die Pisten wirklich sicher sind, dass Seilbahnen regelmäßig gewartet und geserviced sind und dass bei extremen Situationen auch ausreichend und verständlich gewarnt wird. Aber das Einfahren in ungesicherte Hänge abseits der Pisten geschieht in eigener Verantwortung.

22. Februar 2012, 0:00

Die eigene Verantwortung sollte überhaupt in vielen Bereichen des Lebens wieder mehr Gewicht bekommen. Schifahren abseits der Piste passiert auf jeden Fall auf eigene Gefahr und hier darf es auch keinen Schuldigen geben. Wieviele Personen werden noch Lawinenkommissionen oder Weggemeinschaften angehören wollen, wenn Sie stets mit „einem Fuß im Gerichtssaal stehen“? Dazu kommt noch, dass sich zahlreiche Mitglieder der Bergrettung aufgrund der Fahrlässigkeit Einzelner in große Gefahr begeben um diese „Rambos“ zu retten.

Ähnliche Ansichten gibt es ebenso in der warmen Jahreszeit. Auch bei geführten Wanderungen im Sommer ist der Wanderführer für sämtliche Fehltritte in der ganzen Gruppe verantwortlich. Wie soll denn ein Wanderführer den 7. hinter ihm vor einem Absturz sichern?

22. Februar 2012, 0:31

Gerade die Schuldfrage ist es, die zumindest in den Medien die gefühlt höchste Rolle spielt.

Wie Herr Entner schon festgestellt hat, ist es mitunter unmöglich alle Risiken auszuschließen. Bei dem Beispiel mit dem Wanderfüher, würde vermutlich festgestellt, dass dieser nicht ausreichend auf Gefahren hingewiesen hat, oder ähnliches.

23. Februar 2012, 11:43

…wenn die seher, hörer, leser von schuldenbremse, griechenlandpleite, etc. mehr als genug haben, bietet sich so eine story halt wirklich an – mit allen zutaten aus der yellow press. wohlig angenehme erregung bei der suche nach schuldigen – daheim im warmen wohnzimmer. zyniker könnten es sich nicht besser ausdenken.

23. Februar 2012, 12:54

Ich habe anno dazumal meine Diplomarbeit zu Thema Krisen-, und Risikomanagement u.a. anhand von Galtür geschrieben, bin aktiver Wintersportler und Touristiker aus Leib und Seele. Generell ist der Medienhype dem Thema Prinz zuzuordnen und ja, jeder ist selbst verantwortlich, wenn er im freien Gelände unterwegs ist. Aber die Zeiten haben sich geändert. Neue Schimodelle, die Suche nach Ruhe, Zeit, Raum inkl. dem Trend zum Tourensport, der Gesellschaftsdruck „außergewöhnlich“ sein zu müssen, was erzählen und/oder auf Facebook posten zu können, Lawinenrucksäcke die vermeindlich unverwundbar machen, mangelnde Weitergabe der Information in der Beherbergung (bspw. sind Deutsche Mitarbeiter noch lange keine Einheimischen wenn es um Lagebeurteilung geht) und der nicht zuletzt fehlender Respekt (vor der Natur) etc. bringen die Tatsachen besonders in schneereichen und gefährlichen Wintern ans Tageslicht. Gegensteuern sollte man bei der Information vor Ort und an gefährlichen Tagen drastisch. Das kann von der Info und dem richtigen „Wording“ der örtlichen TVB´s an die Unterkünfte die das Thema in die Morgenpost einbringen, bei den Bergbahnen beim Ticketkauf, Liftpersonal oder Infos bei den Drehkreuzen, im Pistenplan, gewisse Pisten werden an solchen Tagen nicht präpariert – die Leute bleiben im gesicherten Bereich auf der Piste und das sichere Tiefschneefahren könnte aktiv beworben werden etc. erfolgen. Diese Form des Risikomanagements wirkt somit dem Florianiprinzip entgegen, zeigt den Gästen, dass man sich um sie sorgt, ergo Verantwortung, Sicherheitsgefühl stärkt und somit Imagegewinn erzielt, die Bergrettung hätte nicht so viele gefährliche Einsätze. Lösungsorientiert denken statt gleich „ist nicht unsere Verantwortung“ wieder zu raunzen ist nützlicher. Berg heil!

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