28. Mai 2018 | 08:00 | Kategorie:
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Gastkommentar: Tourismus, Lebensraum & Spotify

„Wieviel Tourismus verträgt der Lebensraum?“ oder „Wieviel Tourismus braucht der Lebensraum?“ – diese beiden Fragen bewegen ein Tourismusland wie Tirol. Ein Land das jährlich 12 Millionen Gäste begrüßen darf und dessen sehr hoher Lebensstandard bekanntlich ganz wesentlich aus der führenden Gastgeberrolle im Alpentourismus hervorgeht. Heutzutage neigt man gerne dazu, diese Errungenschaft als selbstverständlich anzusehen und sich mehr mit negativen Auswirkungen auseinanderzusetzen. Der Schweizer Zukunftsforscher David Bosshart hat den Alpenraum einmal im Rahmen einer gemeinsamen Veranstaltung als „klein, sicher, kühl und reich“ charakterisiert. Ja, wir sind im weltweiten Konzert der Tourismusregionen klein, zählen glücklicherweise zu den sichersten Regionen der Welt, bleiben aufgrund unserer Höhenlage auch im Zeichen der globalen Erwärmung künftig eher kühl und zählen nachweislich zu den reichsten Flecken unseres Planeten. Hinzu kommt, dass der Tourismus im Alpenraum sich vielfach die höchsten Standards bei Fragen der Ökologie auferlegt hat. All das macht einen Lebensraum besonders attraktiv und nicht zuletzt deshalb wollen nicht nur Einheimische sondern auch Gäste ein Teil davon sein.

Selbstbestimmtheit

Tirol – wie übrigens auch Südtirol – kann hier auf einen ganz wesentlichen Punkt verweisen, nämlich auf die „Selbstbestimmtheit“. Damit meine ich, dass der Tourismus in Tirol überwiegend in der Hand heimischer Familienbetriebe ist und das Land Tirol die wesentlichen politisch-rechtlichen Rahmenbedingungen schaffen darf. Das ist ein unglaublich großer Wert, welchen man nicht hoch genug einschätzen kann. Dahinter stecken großartige Leistungen kleiner und familiärer Strukturen, die Tirol zu einem bedeutenden „Player“ im internationalen Tourismus machen mit einer vielfach weitsichtigen Tourismuspolitik. Unsere „Tourismusbühne“ ist letztlich ein selbstbestimmter Lebensraum mit hoher Begegnungsqualität und keine „künstliche Oase“ mit bewachten Ein- und Ausgängen. Unser Wachstum ist stark regional geprägt – nahezu 90 Prozent aller Vorleistungen stammen aus dem Inland. Wenn derzeit weltweit ein großartiges Wirtschaftswachstum bejubelt wird, hat das reichlich wenig mit den Vorzügen unseres naturnahen Lebensraums zu tun. Laut einer aktuellen Studie der bekannten Unternehmensberatung PwC wird die Weltwirtschaft 2018 das größte globale Wirtschaftswachstum seit 2011 verzeichnen. Etwas markig ausgedrückt verschlingt der sogenannte „Silicon Valley Kapitalismus“ gerade alles was eine reale Bedeutung hat. Wir können mit unseren Tourismusland Tirol keine „schnellen Wellen“ – im Fachjargon spricht man vom „initial splash“ – an der Börse reiten und über Nacht mal schnell 160 Millionen Dollar einfahren, wie jüngst der weltweit größte Musik-Streaming-Dienst „Spotify“ an der Wall Street. Das Unternehmen Spotify hat seit seiner Gründung im Jahre 2006 noch nie einen Euro Gewinn gemacht und allein im Jahr 2017 bezifferte das Unternehmen einen Verlust von nahezu 400 Millionen Euro. Was ich damit zum Ausdruck will: Die Tourismusentwicklung in Tirol ist eine Entwicklung des Lebensraums, der sehr stark von regionalen und familiären Strukturen geprägt ist. Die schnelle Welle zu reiten – beispielsweise mit ertragsorientierten Investorenmodellen – kann nicht der „Tiroler Weg“ für Tourismus und Lebensraum sein.

30. Mai 2018, 10:40

Tourismus ist schon aufgrund seiner Immobiliengebundenheit und des komplexen Zusammenspiels von verschiedenen Leistungsträger, die alle ihren Part qualitätsvoll leisten müssen, keine Branche für das schnelle Geld. Dazu gehört die längst fällige Diskussion über Wachstumsgrenzen und ein qualitativ unserem Preisniveau entsprechendes Angebot. Über Overtourism sprechen wir nur in Zusammenhang mit tatsächlich überbordenden Tourismuszahlen an einigen Orten aber kaum im regionalen Kontext.

Tirol hat schon bei Ausbaugrenzen für Seilbahnen, Golfplätzen, Zweitwohnsitze und Gletschererschließung verdient gemacht. Vielleicht entwickelt man hier auch einen Ansatz für eine künftige regionale Tourismusentwicklung.

31. Mai 2018, 21:53

Ganz einer Meinung mit dem Beitrag und insbesondere mit dem Kommentar von Franz Hartl. Es gilt jetzt die Weichen in Richtung Qualität zu stellen und dafür in den Regionen messbare Ziele zu definieren mit den in diese Richtung gearbeitet werden kann. Ziele, die Orientierung geben und auch Grenzen setzen: https://www.tp-blog.at/politik/naechtigungsrekord-massentourismus. Ein quantitatives auf Touristenmassen ausgelegtes Wachstum zerstört den im Beitrag beschriebenen Wettbewerbsvorteil.

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