14. April 2024 | 22:00 | Kategorie:
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Land der Berge, zukunftsreich!

Die heurige Wintersaison stellt eine Zäsur dar. Nach einem starken Beginn mit Schneefall bis in die Ballungszentren war der Februar der mit Abstand wärmste der Messgeschichte. Marc Olefs, Leiter Klima-Folgen-Forschung bei GeoSphere Austria, hat im Zuge eines Bank Austria Future Talks zum Thema „Wintersport im Wandel“ gesagt, dass der heurige Winter gegen Ende des Jahrhunderts der Normalfall sein wird, wenn sich der Klimaschutz nicht verbessert.

Eigentlich unglaublich, was dank der technischen Beschneiung in vielen Skigebieten trotz warmer Temperaturen, Regen und Föhnsturm vom Pistenangebot her über weite Strecken der Saison möglich war. Aber natürlich weit von einem bisher „normalen Winter“ entfernt, nicht unbedingt was die Anzahl der Betriebstage anbelangt, sondern leider allzu oft deren Qualität.

Zwei Trends hatten sich bereits in den letzten Jahren abgezeichnet:

  1. Das schneesportliche Angebot konzentriert sich mehr und mehr auf Gunstlagen, wobei natürlich auch in diesen kräftig beschneit wird.
  2. Skisportliches Training ist bei den österreichischen Gletschern zumindest außerhalb des Winterhalbjahres kaum noch möglich.

Angesichts dieser Entwicklungen Trübsal zu blasen oder gar zu resignieren, bringt uns als am Schneesport Interessierte und/oder wirtschaftlich Abhängige nicht weiter. Vielmehr ist wieder jener Pioniergeist gefragt, der die rasante Erfolgsgeschichte des Skilaufs seit Mathias Zdarsky & Co. geprägt hat.

Denn der Klimawandel bringt in den Alpen nicht nur schwerwiegende Risiken (beispielsweise aufgrund von auftauendem Permafrost, grassierendem Borkenkäfer oder abschmelzenden Gletschern), sondern auch manche Chancen mit sich: Bereits jetzt ist es vielerorts so, dass der relativ kühle Bergsommer das touristische Pendel wieder in diese Jahreszeit zurückschlagen lässt.

Die Voraussetzungen, sich an einen sukzessiven Rückgang von Möglichkeiten für den schneeabhängigen Wintersport anzupassen, sind von Standort zu Standort bzw. von Organisation zu Organisation sehr unterschiedlich. Aber gewisse strategische Themen können nur gemeinsam und mehr oder weniger flächendeckend angepackt werden.

Drei Themenbereiche mit je drei konkreten Beispielen, was jetzt für ein – wie es schon in der Bundeshymne heißt – „Land der Berge, […] zukunftsreich!“ getan werden kann, seien hier skizziert. Wobei die Themenbereiche 2 Gesamtes Spektrum des Bergsports nutzen und 3 Produkt- und Preispolitik gemeinsam erneuern in den nächsten Tagen und Wochen folgen.

1 Proponent wirkungsvollen Klimaschutzes sein

Der Schneesport steht seit Jahren stark in der Kritik, sei ein Sinnbild für fehlgeleitete Entwicklung („Die Beschleunigung der Berge“), geradezu das Gegenteil einer ressourcenschonenden Lebens- und Wirtschaftsweise.

Zunächst einmal gilt es als Branche zum eigenen Anteil an der Misere der drohenden Klimakatastrophe und des Verlustes an Biodiversität zu stehen — und sei er im globalen Maßstab noch so gering: Denn nur durch entsprechende Maßnahmen, um die eigenen Treibhausgasemissionen oder den Flächenverbrauch nachweißlich zu senken, lässt sich Glaubwürdigkeit als Proponent wirkungsvollen Klimaschutzes aufbauen.

Grundsätzlich sind die Voraussetzungen dafür in Österreich gegeben: Einerseits werden im Winterhalbjahr auf 0,45 % der Alpenfläche für Skipisten mehr als 50 Millionen Besuche verzeichnet. Dieses Prinzip der Skigebiete, hohe Intensität auf relativ geringem Raum, ist von der naturschutzfachlichen Kosten-Nutzen-Rechnung her natürlich unschlagbar gut. Andererseits liegen viele Tourismusorte aus historischen Gründen an Bahnlinien: Von St. Anton am Arlberg bis Semmering geht es von der Bahn zum Berg.

Wenn Organisationen wie der Österreichische Alpenverein an ihrer Klimastrategie arbeiten, dann geht es natürlich um Konzepte zur Vermeidung und Reduktion von Treibhausgasemissionen im Zusammenhang mit Beherbergung und Gastronomie (in den eigenen Hütten) und dem Bergsport selbst — vor allem aber um die Mobilität. Eine Treibhausgasbilanzierung zeigt Fortschritte auf dem Weg zur angestrebten Klimaneutralität im Jahr 2033. Diese Hausaufgaben muss wohl jede mit Sport und Bewegung in den Alpen befasste Organisation für sich machen, wiewohl ein intensiver Austausch, gemeinsame Standards und akkordierte Maßnahmen überaus hilfreich wären (1.1).

Das Bergerlebnis ist für viele Menschen eine einzigartige, alle Sinne umfassende Erfahrung. Die modernen Aufstiegshilfen und Inszenierungen am Berg ermöglichen einen sicheren, vielfach sogar barrierefreien Zugang, somit auch den Kontakt zu einer besonderen Pflanzen- und Tierwelt. Berglandschaften begeistern und faszinieren; deren Veränderung und Gefährdung ist beim Gletscherschwund offensichtlich, in anderen Fällen bedarf es Aufklärung.

Die eigenen Mitglieder, Kunden oder Gäste für wirkungsvollen Klimaschutz zu mobilisieren, im eigenen institutionellen Kontext dafür einzutreten („Carbon Handprint“), erscheint jedoch gerade aufgrund der Anschaulichkeit des Bergerlebnisses, vielleicht auch einer emotionalen Ausnahmesituation, vielversprechend.

NGOs wie Protect Our Winters Austria möchten noch breitere strategische Allianzen eingehen, im Gefolge des Atomic Ski Industry Climate Summit 2023 vernetzen sich auch Sportartikelerzeuger und Sportartikelhändler. Die Zeit ist reif, um sektoren- und organisationsübergreifende Initiativen für wirkungsvollen Klimaschutz im Zusammenhang mit dem Schneesport zu formieren (1.2).

Um glaubwürdig für wirkungsvollen Klimaschutz einzutreten, müssen gerade bei der Mobilität die eigenen Gestaltungsmöglichkeiten genutzt werden: Für den immer noch dominanten motorisierten Individualverkehr kann das Parkraummanagement, Ridesharing, Ridepooling oder Elektrifizierung bedeuten — und vor allem Vermeidung durch attraktiven öffentlichen Verkehr und bedarfsorientierte Mobilität („Mikro-ÖV“) am Urlaubsort.

Immer mehr Organisationen bewirtschaften ihre Parkplätze. Das ist – wie beispielsweise beim Nationalpark Gesäuse – zumeist nur im Verbund mit Partnern möglich, aber für Besucherstromlenkung eine wichtige Voraussetzung. Wir benötigen gerade in den Alpen eine kulturelle Norm, dass Kosten im Zusammenhang mit Parkraum den Endkunden im motorisierten Individualverkehr transparent verrechnet werden. Es muss auch in den Bergen völlig normal (und nicht die Ausnahme von der Regel) sein, für das Parken zu bezahlen (1.3).

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