8. Januar 2020 | 10:35 | Kategorie:
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Think Green – Herausforderung für den Bergsport

Bergsport in seinen verschiedensten Spielarten vermittelt grundsätzlich das Bild einer umweltschonenden, grünen und damit nachhaltigen Outdoor-Aktivität. Bei näherem Hinsehen wird jedoch deutlich, dass es auch hier unabdingbar ist, sich über den ökologischen Fußabdruck Gedanken zu machen. Dafür bieten sich mehrere Zugänge an, wie die Bewirtschaftung der Schutzhütten, die Mobilität zu den Tourenzielen oder die Ausrüstung.

Alpinmesse mit Schwerpunkt Nachhaltigkeit

Mit dieser Thematik befasste sich auch die letzte Alpinmesse in Innsbruck. Unter dem Motto „Think Green“ stand die Nachhaltigkeit von Produkten im Mittelpunkt. Die Messe bietet dafür eine ideale Plattform, gilt sie doch als größte Bergsportmesse in Österreich und wichtigste Messe dieser Art im deutschsprachigen Raum (über 220 Aussteller, 50 Workshops und Vorträge, viele aktiv eingebundene Experten und Markenbotschafter sowie 15.500 Besucher an den zwei Messetagen).

Produktinsel „Think Green“

Die in der Messehalle positionierte Produktinsel „Think Green“ bot der Nachhaltigkeit eine nicht zu übersehende Bühne. Europäische Hersteller und Verbände präsentierten dazu ihre Ansätze in den Bereichen Grundprodukte, Materialien, Produktionswege, Arbeitsbedingungen und Recycling. Dabei wurde sicht- und erlebbar, dass es den Unternehmen gelingt, den Forderungen nach ökologischer und sozialer Nachhaltigkeit zunehmend besser gerecht zu werden.

Mehrfachnutzen durch Grundprodukte aus der Region

Einen wichtigen Zugang stellt die Verwendung regionaler Grundprodukte dar. Das gilt z.B. für den Einsatz von Schafwolle aus den Alpen (Swisswool bei Ortovox, Tirolwool bei Salewa). In der Kombination von traditionellen Materialen und moderner Technologie entstehen hochwertige Produkte, die Kunstfaserfüllungen bei Bergsportkleidung ersetzen. Das bietet mehrere Vorteile: Festigung der alpinen Landwirtschaft, Stärkung regionaler Kreisläufe, attraktives landschaftliches Umfeld dank Beweidung.

Einen weiteren Ansatz bilden biologisch abbaubare Fleece-Stoffe aus Holzfaser, wie sie von VAUDE eingesetzt und weiter ausgebaut werden. GORETEX will ab 2023 auf Mikroplastik verzichten, ohne an Funktionalität einzubüßen. Alle diese Initiativen leisten auch einen Beitrag zur Verringerung des vielzitierten Eintrags von Mikroplastik in den Wasserkreislauf.

Upcycling – aus Alt mach Neu

Eine zunehmend wichtige Rolle spielt das Upcycling, also die Umwandlung von Abfallstoffen in neuwertige Produkte. So weisen z.B. Primaloft-Isolationen der Produktplattform ECO einen Recycling-Anteil von bis zu 90 % auf, wobei die aus recycelten PET-Flaschen entstandenen Materialien voll funktionsfähig sind.

Einen weiteren Zugang zum Recycling bildet die Herstellung von Geldbörsen aus Kletterseilen, die dank der Buntheit moderner Kletterseile ein farbenfrohes Design aufweisen. Kletterhallen und Bergsteigergrößen stellen ihre ausgedienten Seile zur Verfügung. Für Bergsportfans bieten die Geldbörsen nicht zuletzt deshalb einen besonderen Reiz, weil darin die Namen prominenter Spender und / oder die mit dem jeweiligen Seil bewältigten Top-Touren eingraviert sind. Unter die Kategorie Recycling einzuordnen ist auch die handwerkliche Produktion von Hüttenpatschen. Diese werden aus dem Fell von Merinoziegen gefertigt, das bei der Herstellung von Steigfellen für Tourenskier als Verschnitt anfällt.

Die genannten Entwicklungen werden begleitet vom Bemühen um die Langlebigkeit der Produkte, verbunden mit der Möglichkeit der professionellen Pflege und Reparatur durch die Hersteller bzw. deren Marken-Shops.

Sozial und ökologisch nachhaltige Lieferketten

Trotz aller Bemühungen um die Förderung regionaler Kreisläufe und trotz des Bestrebens, die räumlichen Distanzen zwischen den einzelnen Produktionsschritten möglichst klein zu halten, können nicht alle Zwischenstationen und Endfertigungen in Europa abgearbeitet werden. Daher zeigen die Unternehmen auch soziales und ökologisches Engagement in den Betrieben entlang der Produktions- bzw. Lieferketten, die bis nach Ostasien reichen. Die Einhaltung fairer Arbeitsbedingungen sowie fairer Bezahlung kann u.a. an Gütesiegeln wie Fair Wear Foundation, Grüner Knopf oder OEKO-TEX abgelesen werden. Zudem ist dank des Higg-Index die Umwelt-Performance der Produkte vergleich- und nachvollziehbar.

Verkleinerung des ökologischen Fußabdrucks – eine Sisyphosarbeit

Die Unternehmen der Bergsportbranche, die sich für ökologische und soziale Nachhaltigkeit engagieren, werden immer mehr. Wenn ihre Zahl derzeit auch noch überschaubar ist, so mag das bis zu einem gewissen Grad damit zusammenhängen, dass Konzeption und Entwicklung nachhaltiger Produkte längere Zeitstrecken in Anspruch nehmen. Zu den Bannerträgern dieser Bestrebungen zählen jedenfalls attraktive Marken, welche die Qualität der Materialien und die Produktionsweisen auch in geeigneter Form kommunizieren. Es ist daher zu erwarten, dass sich das Thema Nachhaltigkeit mehr und mehr in den Köpfen der Kunden festsetzt und deren Kaufentscheidungen mitbeeinflusst.

Weitere Baustellen warten

Wenn es auf diesem Wege gelingt, den ökologischen Fußabdruck des Bergsports weiter zu reduzieren, so ist das ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung. Das ist nicht zuletzt deshalb von Bedeutung, weil in punkto Nachhaltigkeit im Bergsport noch andere Baustellen warten. Eine davon ist die Mobilität, wo es noch so manche Nuss zu knacken gibt.

26. Januar 2020, 19:08

Eine weitere Meinung zu diesem Thema:

https://www.fr.de/politik/wwf-expertin-natur-wird-unwiederbringlich-zerstoert-13497482.html

27. Januar 2020, 13:05

Zur Frage sozialer und ökologischer Aspekte bei der Produktion von Outdoor-Bekleidung siehe auch das Interview mit Arno Pichler, Eigentümer der steirischen Firma Northland in DERSTANDARD vom 26. Jänner 2020 (https://www.derstandard.at/story/2000113716582/northland-eigentuemer-wandel-zu-mehr-oeko-ist-ein-riesenschmaeh). Im zweiten Teil des Gesprächs nimmt Pichler dazu Stellung. Es lohnt sich auch ein Blick in die zahlreichen Kommentare zum Interview, die zur weiteren Differenzierung des Bildes beitragen und zusätzliche Überlegungen in die Diskussion einbringen.

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