14. Mai 2020 | 11:18 | Kategorie:
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Vom Overtourism zur Unterliquidität

Behördliche Betriebsschließung und Dauer-Grounding

Es kann so schnell gehen. Hat sich die Tourismuswirtschaft gerade noch mit den Auswirkungen des Overtourism und den Möglichkeiten Touristenströme zu kanalisieren herumgeschlagen, so sind die Sorgen über Nacht gänzlich andere geworden. Ein kleines Virus hat die Reiseströme weltweit zum Erliegen gebracht. Mit ganzen Talschaften unter Quarantäne, Grenzsperren, Dauer-Grounding von Flugzeugen und Betriebsschließungen von Hotels und Restaurants, deren Dauer noch nicht absehbar ist, kommt man einem Worst-Case-Szenario des Tourismus ziemlich nahe.

Über Nacht wurden das unternehmerische Überleben und die Aufrechterhaltung der Zahlungsfähigkeit zu den beherrschenden Themen. Gut geht es denen, die dank erfolgreicher vergangener Saisonen Reserven angelegt oder einen soliden Eigenkapital­polster aufgebaut haben. Aber für den Großteil der Kleinen und Mittleren Unternehmen reichen der Geldvorrat und die ausnutzbaren Überziehungs­rahmen gerade für einen Monat.

Regierungshilfe in zwei Akten

Das hat auch die Regierung erkannt und zeitgleich mit dem Zurückfahren der Wirtschaft eine zwar improvisierte aber im Ansatz richtige Vorgangsweise an den Tag gelegt, die das Überleben der Unternehmen über zwei Hebel erleichtern soll:

  • Eine rasche Versorgung mit Liquidität durch Einräumen eines Überziehungs­rahmens, der durch den Bankensektor bereitgestellt wird. Um die Bereitschaft zu verbessern, einer Kreditausweitung zuzustimmen sollen großzügig eingeräumte Haftungen der Republik etwaige Bedenken zerstreuen.
  • Da die Einräumung zusätzlicher Kreditlinien löst zwar das unmittelbare Liquiditäts­problem. Sie treibt jedoch die Verschuldung in die Höhe, die gerade über einen langen, mühe­vollen Weg abgesenkt werden konnte. Daher ist für besonders betroffene Unternehmen eine zusätzliche Hilfe durch einen nicht rückzahlbaren Zuschuss vorgesehen. Dieser Zuschuss kann allerdings erst nach Vorliegen des Jahres­abschlusses 2020 bemessen werden und daher wird dessen Auszahlung erst im Jahr 2021 erfolgen können. Dann wird er allerdings auch nur bei sehr massiven Umsatzrückgängen einen Teil der Verluste auffangen.

Um die Fülle der erwarteten Haftungsansuchen bewältigen zu können, sind drei Institutionen nämlich die Tourismusbank, die AWS und die OeKB betraut. Sie verwenden jeweils unterschiedliche gesetzliche Grundlagen, um die Haftungs-/Garantieübernahme des Bundes zu ermöglichen.

Um mögliche Doppelansuchen zu vermeiden, werden KMUs der Tourismus- und Freizeit­wirtschaft von der Tourismusbank eingeräumt. Dabei darf die Hausbank bis zu 2 % Zinsen verrechnen, wobei diese in den Bundesländern Tirol, Salzburg, Wien, Steiermark, Kärnten und Burgenland von den Ländern getragen werden.

Alternativ ist es auch möglich, bei AWS einzureichen. Großunternehmen (Unternehmen mit mehr als 250 Mitarbeitern entsprechend der Definition des Europäischen Beihilferechts) müssen ihre Ansuchen bei der OeKB stellen. Die Einreichung kann nur durch die Hausbank erfolgen, welche die Überbrückungsfinanzierung zur Verfügung stellt.

Wieviel Schulden kann man schultern

Bei all den Möglichkeiten die Liquidität durch eine Neukreditaufnahme aufrechtzuerhalten darf natürlich nicht übersehen werden, dass es für jedes Unternehmen Verschuldensgrenzen gibt, die eingehalten werden müssen. Diese Regeln haben sich auch durch die Krise nicht geändert. Für Hotels gilt eine Verschuldung in Höhe des zweifachen Jahresumsatzes als Richtwert der nicht überschritten werden sollte. Restaurants hingegen sollten eher schon bei einer Verschuldung in Höhe eines Jahreserlöses Halt machen.

Etwas genauer kann man das Ausmaß der möglichen Verschuldung mit der Kennzahl Fremdkapital / Cashflow eingrenzen. Das Ergebnis kann auch als die Zeitdauer in Jahren interpretiert, werden, die benötigt wird, um aus dem Cashflow die Schulden zurückzuzahlen. Die vom Gesetz vorgegebene Grenze von 15 Jahren sollte auf keinen Fall überschritten werden.

Sollte es sich bei den angegebenen Grenzen im „Coronajahr“ nicht ausgehen, muss nicht gleich Panik ausbrechen. Aber in einem Normal-Wirtschaftsjahr sollten die angeführten Grenzen zu schaffen sein. Wenn das nicht der Fall ist, sollte man der Liquiditätsplanung höchste Aufmerksamkeit schenken.

Die Cashflows sind der Schlüssel

Unabhängig von den öffentlichen Hilfestellungen wird in den nächsten Monaten die Steuerung der Liquidität in den Mittelpunkt rücken. Da gilt einmal die Regel „no cash outflow“. Nach Möglichkeit sind daher alle Auszahlungen einzustellen oder zu reduzieren. Dabei bieten sich vor allem an:

  • Aufgrund von zu erwartenden Stornos könnte es zu einem Geldabfluss aus der Rückzahlung von Anzahlungen kommen. Um das zu vermeiden sollten dem Kunden stattdessen großzügige Umbuchungsmöglichkeiten angeboten werden. Dabei kann man dem Gast durchaus ein interessantes Angebot machen schon bevor er über ein Storno nachdenkt.
  • Eine einvernehmliche Aussetzung der Tilgung bei der Hausbank bei einem, mehreren oder vorsorglich bei allen Darlehen für die nächsten sechs Monate oder gleich für eine Jahresperiode entlastet die zu leistenden Geldabflüsse für Zahlungs­ver­pflichtungen und nimmt Druck aus der Liquiditätsplanung. Die Zinsen sind jedenfalls zu zahlen. Diese sind derzeit ohnedies niedrig und sollten geleistet werden, um einen Anstieg des Obligos zu verhindern und auch zu signalisieren, dass ja grundsätzlich Zahlungsfähigkeit besteht. Es ist sinnvoll, darauf zu verweisen, dass es sich dabei um eine vorsorgliche Maßnahme handelt, um die Liquidität zu entlasten und damit der Unsicherheit bezüglich der wirtschaftlichen Aussichten des heurigen Jahres zu begegnen. Dabei sollte keineswegs der Eindruck entstehen, dass bereits erhebliche Zahlungsengpässe bestehen. Es ist auch zweckmäßig diese einvernehmlichen Änderungen des Kreditvertrages rechtzeitig in Angriff zu nehmen. Schließlich werden die Kreditinstitute in den nächsten Tagen von einer großen Zahl derartiger Ansuchen überhäuft werden, die jeweils zu administrieren und in den EDV-Systemen abzubilden sind.
  • Ein wesentlicher Teil der Corona-Unterstützung für Unternehmen besteht in einer großzügig gehandhabten Stundung von Steuern und Abgaben. Erleichterungen bei Steuer­voraus­zahlungen und Entrichtung von Abgaben haben nur eher kurzfristigen Charakter und müssen noch im Lauf dieses Jahres nachgeholt werden. Eine Erleichterung bei der der Körper­schafts­steuer-Vorauszahlung wird wahrscheinlich dauerhaft sein, wenn im Lauf des heurigen Jahres keine steuerbaren Gewinne entstehen werden.
  • Ähnliche Überlegungen gelten natürlich für etwaige Investitionen, die unter Umständen verschoben werden können. Auszahlungen im Privatbereich können reduziert werden oder Zahlungsfristen können – wenn keine Skontoüberlegungen dagegen sprechen – ausgeschöpft werden.
  • Gerade in Zweisaisongebieten mit Schwerpunkt Wintersaison ist auch eingehend zu überlegen, ob während der Sommersaison der Betrieb geöffnet werden soll, wenn zu erwarten ist, dass angesichts schleppender Buchungen ein operativer Abgang befürchtet werden muss.
  • Soweit Kurzarbeit möglich und sinnvoll ist, kann diese ebenso dazu beitragen Lohn­kosten zu senken und wertvolle Mitarbeiter nicht zu verlieren. Zu beachten ist allerdings, dass Unternehmen die Lohn- und Lohnnebenkosten vorstrecken müssen und erst rückwirkend vom AMS entschädigt werden.

Ebenso wichtig ist es auch sich dem Thema Cash-inflow zu widmen. Im städtischen Bereich weichen manche Restaurants auf Catering-Aktivitäten aus, um die Haushalte der Umgebung zu versorgen und einen Deckungsbeitrag zu erwirtschaften. Hotels bieten ihre Zimmer als „Home-Office“ für gestresste Familienväter an, die den lärmenden Jugendlichen zuhause entfliehen wollen. Nicht betriebsnotwendiges Vermögen zu veräußern kann genauso sinnvoll sein, wie eine Gutschein-Aktion, die es heute schon ermöglicht künftige Urlaubsfreuden zu erstehen.

Es braucht viel Atem bis zur Normalität

Für das Überleben der nächsten Monate ist ausreichende Liquidität der Schlüssel. Selbst Experten räumen ein, dass man für die Erstellung eines realitätsnahen Finanzplanes derzeit eine Kristall­kugel braucht. Bei der Planung ist wohl davon auszugehen, dass völlige Normalität erst dann wieder einkehrt, wenn eine Impfung oder ein wirksames Medikament gefunden ist und das wird wohl noch einige Zeit dauern. Aus diesem Grund ist es auch sinnvoll sich bei den Verkaufsaktivitäten vor allem auf die Nahmärkte zu stützen. Da einige der Fluglinien wahrscheinlich nicht mehr abheben werden, sind Aktivitäten auf Fernmärkten in nächster Zeit wenig ergiebig.

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