18. Mai 2018 | 08:43 | Kategorie:
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UnternehmerInnen als Opfer des Fachkräftemangels im Hospitality-Business?

Hut ab vor den wackeren KollegInnen im Hospitality-Business: Sie arbeiten, wenn andere Feierabend machen, feilen permanent an der Kundenorientierung ihrer Angebote, basteln an kreativen, wirkungsvollen Vermarktungsmethoden, ringen um bestmögliche Erfüllung der – immer ausgefalleneren – Gästewünsche, und dies stets mit möglichst authentisch gespielter Freundlichkeit im Willkommens-Gesicht, auf den Händen Tabletts mit verführerischen Köstlichkeiten, im Genick die drückende Last der Bankkredite…

 

Für den TP-Blog hat Prof. (FH) Dr. Harald A. Friedl, Associate Professor an der FH JOANNEUM den nachstehenden Beitrag verfasst:

Warum der fehlende Blick in den Spiegel das Problem verschärft.

Wenn unter diesen übermenschlichen Arbeitsbedingungen auch noch MitarbeiterInnen „dumme“ Fehler machen, kann schon mal ein Ventil platzen. Ist nur allzu menschlich, und irgendwer muss schließlich das drohende Chaos Angesichts des alltäglichen Hamsterrades in Schach halten…

…vorausgesetzt, dass MitarbeiterInnen da sind. Denn gute Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Tourismus zu finden wird immer schwieriger, sie zu halten, noch mehr. Besonders gilt dies bei KöchInnen und KellnerInnen, und noch mehr für Lehrlinge in diesen Berufen.

Dies spüren auch viele der traditionsreichen Tourismusschulen, deren SchülerInnen-Zahlen dramatisch einbrechen, ob in Salzburg (sn.at, 7.4.16) oder Oberösterreich (orf.at, 25.9.17). Hier macht sich auch der Bevölkerungswandel bemerkbar: weniger Kinder bedeuten weniger SchülerInnen. Gleichzeitig drängen zusätzliche, zumeist akademische Ausbildungsformen auf den Ausbildungsmarkt. Doch auch die Gesamtzahl an Arbeitsplätzen schnellt in der boomenden Branche in die Höhe.

Diese Dynamik mündet in die radikale Umkehrung bisheriger Machtpositionen am touristischen Arbeitsmarkt: Während der „Wert“ der sinkenden Zahl an Hospitality-Fachkräften explodiert, verlieren Job-Anbieter an „Wert“ und geraten gegenüber Arbeitnehmern zunehmend in die Rolle von Bittstellern – in scharfer Konkurrenz zu den Mitbewerbern um gute Fachkräfte …

Welche Attraktivitätsfaktoren von Hospitality-Jobs werfen die Anbieter nun in die Waagschale?

Geringes Einkommen, volatile Dienste, Nachtarbeit und Wochenenddienst, Familienfeindlichkeit… und zu guter Letzt die leider immer noch verbreitete Rolle als Fußabtreter für Vorgesetzte.

Wie bitte? Aber doch nicht bei uns! Als Andreas Schuster, Absolvent der FH JOANNEUM, seine Studie über den Zusammenhang zwischen Führungskultur und Fachkräftemange im Tourismus (TWq, Juli 18) einer Jury präsentierte, erntete er nur Desinteresse von den Juroren, allesamt Praktiker aus dem Hospitality-Sektor. Dabei weisen sämtliche Studien, ob aus Sicht von Arbeitspsychologie, betrieblichem Gesundheitsmanagement, HR-Management oder Employer Branding, direkte Zusammenhänge zwischen respektvollen und wertschätzenden Führungsstilen einerseits und geringen Krankenständen und Fluktuationsraten nach. Anders formuliert: ein tolles Team mit einem vertrauensvollen Chef bewirkt weit mittelfristig sehr viel effektiver motivierte Mitarbeiter und höhere Bewerberzahlen als etwas höhere Gehälter.

Bleiben Jobs aber unattraktiv, so werden sie von Personengruppen besetzt, die in relativ schwächeren Verhandlungspositionen stehen. Darum weist die Branche einen 44%-Anteil an Nicht-ÖsterreicherInnen auf (ögz, 5.4.18).

Verschärft wird diese Situation, indem die sinkende Zahl der jungen Menschen ihren steigenden Einfluss zunehmend erkennt und selbstbewusst für sich ein neues Arbeitsethos entwickelt. Als Job-Anfänger die Launen eines Vorgesetzten im Stile eines „Schüler Gerber“ still leidend „runterzuschlucken“, ist der „Generation Z“ darum fremd. Vielmehr pfeifen die Jungen angesichts einer ungewissen Zukunft auf Werte wie Karriere, Ansehen, Anpassung und sichere Jobs, während bereichernde Erfahrungen und gute Beziehungen in einer Work-Life-Balance zum Maßstab für ein sinnvolles (Berufs-)Leben werden.

Ein empörter Mitarbeiter, der seinen Job hinschmeißt, wäre heutzutage noch das geringste Problem für den betroffenen Betrieb.

In der Smartphone-Ära laufen wütende Küchenchefs Gefahr in den sozialen Medien öffentlich angeprangert zu werden…

Top-Unternehmer wie Heinz Reitbauer vom Steirereck hat seine eigenen schmerzlichen Erfahrungen als Lehrling nicht vergessen und weiß darum um die überragende Bedeutung eines respektvollen Betriebsklimas, das wesentlich durch das Vorbild der Führungskräfte geprägt wird. Sich bei MitarbeiterInnen für einen verfehlten Tonfall zu entschuldigen ist darum für den Star-Koch ohne Star-Allüren gleichsam nachhaltige Beziehungspflege durch Achtsamkeit (youtube, A. Schachenhuber).

Das Gros der Branche scheint jedoch weiterhin am Mythos festzuhalten, der Fachkräftemangel sei allein die Folge politischer Versäumnisse oder „falscher“ Einstellungen der ArbeitnehmerInnen, und die UnternehmerInnen darum Opfer äußerer Umstände. Diese Einstellung ist allzu menschlich angesichts des herausfordernden operativen Alltags von TouristikerInnen, denn nichts ist so schwierig wie der selbstkritische Blick in den Spiegel – außer der nachfolgenden Verhaltenskorrektur.

Doch mit destruktiver Führungskultur ist es wie mit dem Klimawandel: Man kann beides ignorieren; Schnee und Fachkräfte werden so oder so weniger…

 

Über den Autor dieses Beitrags

Prof. (FH) Dr. Harald A. Friedl (harald.friedl@fh-joanneum.at) lehrt nachhaltige Tourismusentwicklung und Tourismusethik am Institut für Gesundheits- und Tourismusmanagement an der FH JOANNEUM in Bad Gleichenberg. Sein Forschungsschwerpunkt ist die Rolle einer kooperativen Kommunikationskultur für den Prozess der Transition hin zu einer zukunftsfähigen Gesellschaft.

 

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