24. November 2009 | 18:27 | Kategorie:
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Schnee-Alarm

schifahren

Die Meldung verschobener Saisonopenings geistert derzeit durch unsere Medien. Nach dem verfrühten Wintereinbruch im Oktober lässt der Schnee nun auf sich warten. Deutliches Zeichen des Klimawandels oder ganz normale Erscheinung? Aus gegebenen Anlass möchte ich Ihnen jenes Interview nicht vorenthalten, das ich im Rahmen meiner Beratertätigkeit mit Mag. Robert Steiger geführt habe. Mag. Robert Steiger ist wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität Innsbruck und untersucht die Auswirkungen des Klimawandels auf den Schitourismus.

HP: Herr Steiger, der Klimawandel ist – abgesehen von der Wirtschaftskrise – für viele vermutlich das Unwort der letzten Jahre. Ständig lesen wir neue Prognosen und beobachten selber, dass Extreme wie der schneearme Winter 2006/07 und der schneereiche Winter 2008/09 eng aufeinander folgen. Worauf müssen wir uns in Zukunft einstellen?

Steiger: Dieses Auf und Ab ist ganz natürlich, und es wird auch weiterhin schneeärmere und schneereichere Winter geben. Klimawandel ist ein schleichender Prozess, der sich an der Anzahl der warmen Jahre und Winter festmachen lässt. Mit der Klimaerwärmung nimmt die Häufigkeit der warmen Winter zu und es erhöht sich damit die Eintrittswahrscheinlichkeit mehrerer warmer Winter hintereinander. Auch die Ausschläge nach oben werden extremer: Heute ist zum Beispiel ein „warmer“ Winter um 2°C zu warm, in Zukunft werden das häufiger auch 4°C sein. Bis 2050 darf sicherlich von einer allgemeinen Erwärmung von rund 2°C ausgegangen werden.

HP: Hat der Schitourismus in unseren Breiten langfristig eine Chance?

Steiger: Man wird auch in hundert Jahren noch Schifahren, aber nicht überall und nicht im selben Ausmaß wie heute. Der Schitourismus wird einen Wandel erfahren, der in meinen Augen aber nur zum Teil auf die Veränderungen des Klimas zurückzuführen ist. Gemeinsam mit anderen, nennen wir sie Störfaktoren wie demografische Entwicklung oder auch Wirtschaftsentwicklung, könnte das allerdings in einem größeren Problem münden – nämlich, dass sich der Schitourismus selbst nicht mehr tragen kann.

Es wird sicher eine Marktbereinigung geben und es ist auch fraglich, ob Schifahren noch der Volkssport sein kann. Die Kosten für die Beschneiung werden enorm ansteigen. Da kaum mit einer hohen Frequenzsteigerung bei den Besucherzahlen zu rechnen ist, werden sich die Kosten irgendwann auf den Schipass-Preis auswirken. Damit würde sich Schifahren vom Massensport hin zu einer elitäreren Sportart entwickeln, wie das z.B. in den USA heute schon stärker der Fall ist als bei uns.

HP: Im Pitztal ist inzwischen die Beschneiung bei Plusgraden möglich. Wo liegen künftig die Grenzen der Beschneiung?

Steiger: Eindeutig im wirtschaftlichen Bereich. Es ist letztlich eine betriebswirtschaftliche Entscheidung, ob es den hohen Energieeinsatz des neuen Snowmakers wert ist. Dazu kommt noch die Distributionsfrage, denn der Schnee wird zentral erzeugt und bei der Verteilung entstehen weitere Kosten. In meinen Augen ist der Snowmaker derzeit für absolute Nischen oder Spezialfälle relevant, wie dies eben im Pitztal der Fall ist. Für Weltcuprennen, Trainings und derlei Dinge ist er sicher attraktiv – ein wegen Wind und Wärme abgesagtes Hahnenkamm-Rennen müsste es damit nicht mehr geben. Für den Masseneinsatz ist diese Technologie derzeit aber aufgrund der hohen Kosten kaum geeignet.

HP: Bleiben am Ende nur die höchstgelegenen Schigebiete übrig?

Steiger: Diese sind eindeutig die Gunstregionen, weil hier die Temperaturen noch niedrig genug zum Beschneien sind. Ungunsträume sind die niedrig gelegenen Schigebiete. Eine Herausforderung kommt aber auch auf die heute schimäßig erschlossenen Gletscher zu, von denen zahlreichen Prognosen zufolge in zwanzig, dreißig Jahren keiner mehr vorhanden sein dürfte. Auftauen des Permafrosts, Verankerung der Liftstationen und Restaurants und dergleichen – das wird die Kosten extrem in die Höhe treiben.

HP: Sind sich die Touristiker und insbesondere die Seilbahner dieser Zukunftsaussichten bewusst?

Steiger: Zum Teil sind die Seilbahner sehr gut informiert. Schwierigkeiten haben die Praktiker vor allem mit der Unsicherheit in den Prognosen. Insgesamt orte ich eine eher zögerliche Bereitschaft, die Klimafrage in strategische Entscheidungen miteinzubeziehen. Verständlicherweise denken die meisten Touristiker nicht in Planungszeiträumen von 30 Jahren und mehr. Das Problem des Klimawandels scheint noch weiter weg, und für die Praktiker sind aktuelle Probleme wie die Wirtschaftskrise natürlich heute schwerwiegender.

HP: Finden Sie es angesichts dieses Szenarios gerechtfertigt, dass für Investitionen in tiefer gelegene Schigebiete öffentliche Mittel bereitgestellt werden?

Steiger: Zum gegenwärtigen Zeitpunkt sehe ich das ziemlich problematisch, weil dadurch der nötige Strukturwandel hinausgezögert wird. Sinnvoll wäre die Förderung von Alternativen – zum Beispiel Innovationen für den Sommertourismus oder auch Alternativen zum Tourismus überhaupt, wenn das notwendig sein sollte. Langfristig ist dies sicher sinnvoller, als Dinge am Leben zu halten, die laufend öffentlich bezuschusst werden müssen. Auf der anderen Seite können Schigebiete natürlich wie Hallenbäder betrachtet werden – hier ist aber fraglich, ob wirklich jedes einzelne Schigebiet erhalten werden muss. Eine regelmäßige Kosten-Nutzen-Analyse ist auf jeden Fall angebracht.

HP: Was empfehlen Sie unseren niedrig gelegenen Schigebieten – den langsamen Rückzug aus dem Schigeschäft?

Steiger: Der langsame Rückzug ist sicher das Stichwort. Wir haben etwa eine Generation lang Zeit, um die Schigebiete umzustrukturieren und uns in eine andere Richtung zu orientieren. Diejenigen, die früher darüber nachdenken und reagieren, können dabei noch eher Trends setzen und aus dem Risiko eine Chance machen. Es muss auch nicht der Betriebsleiter oder der Geschäftsführer der Bergbahn sein, der die Ideen entwickelt. Der Prozess müsste eigentlich mit der ganzen Region angegangen werden. Ich glaube es schadet niemandem, sich schon heute mit dem Thema auseinanderzusetzen – mit dem Bewusstsein, dass die Zeit ausreicht, eine gute langfristige Strategie zu entwickeln.

25. November 2009, 9:37

Ein wirklich guter Beitrag zu einer wichtigen Thematik. Klug formulierte Fragen ermöglichen sachlich unaufgeregte Antworten. Auf diesen Überlegungen sollen und können Regionen und Betriebe aufbauen…

25. November 2009, 11:02

Die Kritik, die Robert Steiger an der Bezuschussung tiefer gelegener Skigebiete übt, ist absolut zu unterstreichen. Gerade das Beispiel der örtlichen Infrastrukturen (Bäder etc.) zeigt uns seit Jahren, dass es in vielen Fällen kein wirtschaftlich sinnvolles Szenario für solche Freizeiteinrichtungen gibt. Wir brauchen im alpinen Tourismus rasch eine offene Diskussion, in der auch Schließungen und Rückbau thematisiert werden!

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