21. Juni 2021 | 11:48 | Kategorie:
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Bettenobergrenze in Tirol – ein mutiger Schritt?

Die neue Tiroler Tourismusstrategie firmiert unter dem Titel Der Tiroler Weg – Perspektiven für eine verantwortungsvolle Tourismusentwicklung. Sie wurde vor Kurzem unter umfangreicher medialer Begleitmusik der Öffentlichkeit vorgestellt. Den bereits etablierten großen strategischen Linien „Lebens- & Erholungsraum“, „Familienunternehmen & Gastgeberqualität“ sowie „Kompetenz & Innovationsführerschaft“ wurde, den Zeichen der Zeit folgend, ein vierter Entwicklungsstrang hinzugefügt: „Nachhaltigkeit und Regionalität“.

Ein aufzulösender Widerspruch

Im Vergleich zu früheren Ausgaben des Tiroler Weges ist die aktualisierte Fassung wesentlich konkreter und detaillierter. Zudem listet sie ein Instrumentarium für die multidimensionale Erfolgsmessung im Tourismus auf, das über die üblichen statistischen Kennzahlen und rein ökonomischen Erfolgsnachweise hinausreicht.

So weit so gut. Aufgrund unterschiedlicher Interessen sind offenbar aber auch Tourismusstrategien nicht vor inneren Widersprüchen gefeit. Das sei anhand der Aussagen zur Entwicklung der Zahl der Gästebetten und zu den Perspektiven für die Skigebiete kurz dargelegt.

Gästebetten: Die Talsohle als Obergrenze

Wenn man dem gesprochenen und geschriebenen Wort Glauben schenken darf, so legt die Tiroler Tourismuspolitik die Maximalzahl der Gästebetten im Lande mit 330.000 fest mit dem Vermerk, dass die Tendenz eher nach unten gehen soll. Angesichts der Tatsache, dass die Gesamtzahl der Gästebetten hierzulande seit dreieinhalb Jahrzehnten mehr oder weniger rückläufig ist und sich zwischen 330.000 und 340.000 eingependelt hat, ist die Definition dieser Grenze keinesfalls als tourismuspolitischer Kraftakt zu werten. Einen Hinweis darauf, wie angesichts dieses Plafonds mit regional unterschiedlichen Dimensionen und Dynamiken des Tourismus umgegangen wird, suchen wir allerdings vergeblich.

Verbunden mit raumordnerisch festgelegten Eckdaten für einzelne Objekte (150 bzw. 300 Betten) geht es bei dieser Grenzziehung offensichtlich in erster Linie darum, große Projekte zu verhindern, die auf Investorenmodellen beruhen. Damit sollte es u.a. auch gelingen, ein weiteres Zurückdrängen der familienbetrieblichen Strukturen im Tiroler Tourismus hintanzuhalten.

Wie weiter mit Bergbahnen und Skigebieten?

Freizeitinfrastrukturen benötigten Auslastung und allein mit der angestrebten besseren Verteilung der Gästenächtigungen über das Jahr hinweg wird diese Bettenzahl für die Bergbahnen und Skigebiete vermutlich nicht ausreichen – jedenfalls dann nicht, wenn die geplanten Projekte realisiert werden. Zwar sind laut dem – im Strategiepapier zitierten – Tiroler Seilbahn- und Skigebietsprogramm Neuerschließungen nicht mehr möglich, Abrundungen, Zubringerbahnen sowie Skigebietsverbindungen hingegen schon. Sie müssen nur sinnvoll und ökologisch verträglich sein. Wie wir wissen, ist die Beurteilung bzw. gegenseitige Abwägung von Sinnhaftigkeit und ökologischer Verträglichkeit aber nicht allein eine Frage der Fakten, sondern auch eine solche der Blickwinkel.

Hier beißt sich die Katze in den Schwaz! Auf der einen Seite eine Bettenobergrenze, auf der anderen Seite weitere Abrundungen und weitere Verbindungen von Skigebieten, was eine weitere Steigerung der Aufnahme- und Transportkapazitäten zur Folge hat. Aus dem Stand heraus fallen mir rund ein Dutzend Verbindungsprojekte ein. Zumindest einige davon werden mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit umgesetzt. Wollen wir diese Infrastrukturen angemessen auslasten, so wird wohl früher oder später auch eine Bettenuntergrenze zu diskutieren sein.

Und da tut sich eine grundlegende Frage auf: Kann es gelingen, die dann erforderliche Bettenkapazität allein mit Tiroler Familienbetrieben bereitzustellen, und zwar einschließlich jener wenigen Unternehmen, die als große touristische Multiplayer innerhalb des Landes auch überregional agieren. Das ist, wie der Blick auf die rückläufige Zahl der Gästebetten zeigt, schon heute kein leichtes Unterfangen.

Das Dilemma mit den Zielen

Daraus resultiert als denkbares Szenario: Nach der Realisierung von Modernisierungen, Abrundungen und Skigebietsverbindungen erhöhen Bergbahn- und Skigebietsunternehmen den Druck in Richtung mehr Nachfrage. Und wo sollen die zusätzlich benötigten Gäste herkommen? Die touristischen Schwerpunkte werden bzw. müssen unweigerlich weiterwachsen. Darüber hinaus wird die jetzt schon intensive Bewerbung von Tagesgästen weiter forciert.

Das bleibt nicht ohne Einfluss auf andere, im Strategiepapier deponierte Ziele: So mag z.B. die bis zum Jahre 2035 angestrebte Klimaneutralität der Bergbahnen und Skigebiete erreicht werden. Die gewünschte, wenn auch nicht näher definierte, deutliche Reduktion des CO2-Fußabdrucks pro Gast wird unter diesen Voraussetzungen allerdings nicht so locker zu bewerkstelligen sein.

22. Juni 2021, 8:07

Mit Limits hat man noch nie etwas erreicht! Der Wettbewerb ist das Regulativ!

22. Juni 2021, 12:23

Von einem „Limit“ kann man doch hier nicht sprechen.
Man spürt doch geradezu den irren Spagat, den die ÖVP hier hingelegt hat. Auf der einen Seite eine Tourismuslobby, die massiven Druck ausübt. Auf der anderen Seite die Bevölkerung, die sich vor dem Massentourismus ekelt. Ich würde die Aktion unter „Schöne PR“ verbuchen.

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